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Ungarns Rolle in der Flüchtlingskrise wird von vielen EU-Ländern als unsolidarisch kritisiert. Das könnte nun finanzielle Folgen haben – auch für andere osteuropäische Länder.

Foto: AP/Petr David Josek

"Restrukturierung" – das ist eines jener Zauberworte, die Experten des für Budget und Personal zuständigen EU-Kommissars Günther Oettinger in Brüssel am häufigsten über die Lippen kommen, wenn es um das künftige Gemeinschaftsbudget geht. Sie haben derzeit die schwierige Aufgabe, Pläne für den nächsten "mittelfristigen Finanzrahmen" zu erstellen, der Ende 2021 beginnt.

Der geltende, auf sieben Jahre angelegte Budgetplan war 2014 noch unter der Bedingung gestartet, dass Großbritannien als großer Nettozahler neben Deutschland mit von der Partie war. Nach dem vorgesehenen EU-Austritt des Landes im März 2019 werden im Haushalt pro Jahr netto zwischen zehn und vierzehn Milliarden Euro fehlen, schätzt Oettinger, je nachdem, wie die Austrittsbedingungen ausfallen.

Ausgabenstruktur verändern

Deutschland und Frankreich sind zwar bereit, ihre Beiträge zu erhöhen, aber nur, wenn die Ausgabenstruktur verändert wird. Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron haben zuletzt den Druck beim Vorschlag erhöht, Auszahlungen aus den EU-Kohäsionstöpfen zur Förderung einkommensschwacher Regionen an die "innere Solidarität" bei der EU-weiten Aufteilung von Flüchtlingen zu knüpfen.

Die Staaten sind total uneinig. Das Problem der Finanzierung der EU-Budgets wird zudem erschwert, weil viele kleinere Nettozahlerländer wie Österreich, die Niederlande, Schweden und die Slowakei nicht bereit sind, den Brexit durch höhere Beiträge auszugleichen. Sie drängen auf knappe Sparbudgets, Kürzungen bei Subventionen für die Osteuropäer, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz im Standard gefordert hatte.

Auf der anderen Seite drohen jene osteuropäischen Länder wie Polen oder Ungarn, die am meisten profitieren, aber gegen Umverteilung von Flüchtlingen Sturm laufen, mit Blockaden. Die Kommission bereitet aus all dem nun einen Gesamtvorschlag vor, den Oettinger am 2. Mai vorlegen will.

"Britische Budgetlücke"

Der Budgetkommissar wird zur Bedeckung der "britischen Budgetlücke" vorschlagen, dass die Hälfte durch Beitragserhöhungen der Mitglieder, die andere Hälfte durch Sparen ausgeglichen wird. Die "Financial Times" nannte Montag weitere Details zur deutschen Forderung, die Kohäsionsfonds zu reformieren. Zwischen 2014 und 2020 werden daraus rund 350 Milliarden Euro verteilt werden, 77 Milliarden an Polen, 22 an Ungarn. Derzeit zählt vor allem die schwache Kaufkraft in einer Region (so wie früher das Burgenland ein Ziel-A-Gebiet war) als Kriterium, um in den Genuss von Förderungen zu kommen. In Zukunft soll die Beschäftigungslage ebenso eine Rolle spielen wie der Umweltschutz, oder inwieweit Länder die Rechtsstaatlichkeit achten (ein klarer Hinweis auf Polen); ob sie "Werte" der Union einhalten und ob sie bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen.

Das bedeutete in der Praxis, dass Milliardenbeträge in zweistelliger Höhe, die bisher nach Osteuropa flossen, in Zukunft wieder mehr in die südeuropäischen Länder wie Griechenland, Italien und Spanien fließen würden. Nach der EU-Erweiterung 2004 war es genau umgekehrt. Ob das alles je so kommt, steht freilich in den Sternen: Um den Budgetrahmen zu beschließen, braucht es die Einstimmigkeit der EU-Staaten. Die Verhandlungen sollen unter österreichischem EU-Vorsitz starten. (Thomas Mayer aus Brüssel, 23.4.2018)