Wien – Gut, dass es sie gibt, aber noch geht sie nicht weit genug. So kann die Einschätzung des Forschungsnetzwerkes Climate Change Center Austria (CCCA) zur Klima- und Energiestrategie (KES) zusammengefasst werden. Das Anfang April vorgestellte Papier der Regierung ging am Montag in die erste Konsultationsrunde, im Juni soll die finale Version präsentiert werden.
Geht es nach den Experten des CCCA, muss sich bis dahin noch einiges ändern, um die international zugesagten Klimaziele zu erfüllen: "Die gesteckten Ziele werden mit dem Entwurf nicht erreicht", sagte Klima-Ökonom Karl Steininger bei einer Pressekonferenz am Montag. Der Zeitrahmen der "Mission 2030" sei zu kurz gesetzt, das würde langfristig auch zu Mehrkosten führen: "Wenn wir am Anfang wenig tun, wird es am Ende teuer", so Steininger. Deshalb müssten Klimafolgekosten in das Budget integriert und eine sozial-ökologische Steuer eingeführt werden. Denn: "Ohne Steuer wird es nicht funktionieren."
Hinkender Fortschritt
Die hinkenden Fortschritte Österreichs in Klimafragen werden laut dem Klimaexperten Gottfried Kirchengast im EU-weiten Vergleich deutlich. So wurden hierzulande zwischen 1990 und 1999 pro Jahr durchschnittlich 79,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittiert. Ähnliche Werte erreichten auch Dänemark und Ungarn. Während die Treibhausgasemissionen in Österreich zwischen 2010 und 2016 gegenüber der ersten Messperiode um ein Prozent zugenommen haben, sind sie in den beiden anderen Staaten um 31 bzw. 23 Prozent gesunken. Über alle EU-Mitgliedsstaaten verteilt sank der Wert um 16 Prozent.
Auch das Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen fällt laut Kirchengast in der KES "zu lose" aus: "Die Klimastrategie ist zu diffus." Österreich muss seine Treibhausgas-Emissionen nach Vorgabe der EU bis 2030 um 36 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Dieses Ziel sei nicht ausreichend, kritisiert der Forscher. Um die Paris-Ziele zu erreichen, wäre eine Reduktion von 42 Prozent bis 2030 und 90 Prozent bis 2050 notwendig.
Auch in puncto Dekarbonisierung fehlt es dem Forschungsnetzwerk an konkreten Zielperspektiven und Handlungsempfehlungen. Die Regierung strebt laut der Strategie einen Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft bis 2060 an. Dazu ist laut Steininger die Halbierung des Endenergieverbrauchs sowie die Erzeugung der verbleibenden Energie aus erneuerbaren Quellen notwendig. Je früher merkbare Reduktionsschritte stattfinden, desto mehr Zeit und Ressourcen würden für schwierige Bereiche übrig bleiben, meinen die Forscher.
Wissenschaftlich begleiten
Die Wissenschaftler haben sich in einer Stellungnahme an die zuständigen Minister gewandt und angeboten, den Prozess wissenschaftlich zu begleiten. Durch einen laufenden Monitoring-Prozess könnten verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen getroffen werden. So könnten beispielsweise Analysen erstellt werden, die auf einer Treibhausgasbilanz beruhen, die um die Konjunktur und Heizgradtage bereinigt ist. Einen ähnlichen Beratungsprozess gibt es bereits in Deutschland, wo eine Wissenschafter-Kommission jährlich den Fortschritt der Klimavorhaben kommentiert.
Kritik gab es seitens der Wissenschafter auch für den Plan der Regierung, den Wirtschaftsstandort neben dem Umweltschutz als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. "Es ist das falsche Signal", sagte CCCA-Rechtsexpertin Eva Schulev-Steindl. Ziel der Änderung sei, den Umweltschutz auf Verfassungsebene dem Wirtschaftswachstum gegenüberzustellen – "und damit den Umweltschutz quasi auszuhebeln". Ob die Regierung die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, ist unklar. Während die SPÖ und die Liste Pilz laut ORF.at den Änderungen nicht zustimmen wollen, zeigen sich die Neos abwartend. (Nora Laufer, 23.4.2018)