Wie geht es weiter mit der SPÖ? Das Beispiel Wien wird es zeigen.

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Die Sozialdemokratie steht am Scheideweg. Eine mögliche Entwicklung führt in die Bedeutungslosigkeit, die andere ermöglicht es ihr, als Mittel- oder sogar Großpartei glaubwürdig zu bleiben. Es geht darum, ob sie den als populistisch kritisierten oder den elitär-antipopulistischen Weg geht.

Diese Entscheidungssituation resultiert aus einer schon Jahrzehnte dauernden Entwicklung. Schon in der Periode 1970–1980 war man sich im Klaren, dass die abnehmende Zahl der Industriearbeiter tiefgreifende Veränderungen in der Struktur der sozialdemokratischen Mitglieder- und Wählerschaft bedingen würde. Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Helmut Schmidt, Bruno Kreisky aber auch Felipe Gonzalez und Tony Blair versuchten dem Rechnung zu tragen. Sie näherten sich ideologisch der bürgerlichen Mitte und erzielten so große persönliche Popularität und eindrucksvolle Wahlerfolge. Dies änderte allerdings nichts an der gleichzeitigen Ausdünnung der Mitgliederbasis. Die Ortsvereine oder "Sektionen" verloren ihre knorrigen alten Mitglieder, und die Funktionärsebene tendierte einerseits zur Laufbahnpartei des öffentlichen Dienstes und andererseits zu einem neulinken Sammelbecken für "Gutmenschen", Radfahrenthusiasten und Randgruppen ähnlich den grün-alternativen Bewegungen.

Pastoraler Idealismus

Bei allgemeinen Wahlen wurden Repräsentanten dieser neuen Richtung mit ihrem zum Teil ziemlich selbstgerechten pastoralen Idealismus von der Wählerschaft allerdings nicht besonders geschätzt. Wo Repräsentanten des sogenannten linken Flügels zum Kampf um die Führung der Partei und des Staats antraten, wurden sie in der Regel besiegt. Die Medien waren ihnen zunächst zwar relativ aufgeschlossen, Phänomene wie die allgemeine "politisch korrekte" weibliche Anrede an der Uni Leipzig oder das läppische Wiener Ampelpärchen wurden aber doch recht ironisch kommentiert.

Der fatalste Fehler der neuen Sozialdemokratie war freilich die Unterschätzung oder sogar Verächtlichmachung der Ängste der "kleinen Leute" vor einer unkontrollierten Zuwanderung, speziell aus islamischen Ländern. Hier geht es de facto gegen die eigenen (ehemaligen) Stammwähler, die längst zu Lesern der "Kronen-Zeitung" geworden sind. Aber der Rad fahrende Bobo, sprich Bourgeois Bohemian, aus dem siebten Wiener Gemeindebezirk macht keine gute Figur, wenn er dem Gemeindebaumieter dessen latenten Faschismus zu erklären versucht.

Vakuum als Folge

Die Folge war ein Vakuum, in das heute allerorts fremdenfeindliche und nationalistische Parteien hineinstoßen. Ehemalige Hochburgen der Arbeiterbewegung, von Schottland bis Katalonien, wurden zu Schauplätzen eines "nationalen Erwachens". Die französische Sozialdemokratie ist, nachdem ihr linker Flügel mehrfach aussichtsreiche Spitzenkandidaten aus den eigenen Reihen zu Fall gebracht hat, abgestürzt. In Großbritannien sieht es nicht viel anders aus. Und die Art, wie hierzulande ein (allzu) populärer Innenminister, Karl Schlögl, vor nun schon fast 20 Jahren am parteiinternen Widerstand gescheitert ist, gehört in dasselbe Kapitel.

Wo zeigt sich ein Ausweg?

Der permanente Faschismus-Alarm und der autoritäre Ruf nach mehr Toleranz haben sich nicht bewährt und das Gegenteil bewirkt. Die jugendlichen Wunderwuzzis des modernisierten Neoliberalismus kochen aber auch nur mit Wasser, und dort, wo sie unter dem Titel Reform den Abbau sozialer Errungenschaften und die Privatisierung des Sozialstaats in Angriff nehmen, bedürfen sie starker Gegenkräfte. Eine starke Sozialdemokratie, die sich nicht vor dem Vorwurf des Populismus fürchtet oder sich gar in internen Grabenkämpfen erschöpft, wäre hier dringend vonnöten. Das Beispiel Wien wird zeigen, ob die mit der Entscheidung über das Bürgermeisteramt verbundene Kurskorrektur nachhaltig ist und die mit ihr verbundenen Chancen genützt werden. (Robert Schediwy, 25.4.2018)