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Der "Grand Renaissance Damm" in Äthiopien spaltet die Gemüter in den Nachbarstaaten.

Foto: Reuters / Tiksa Negeri

Kairo / Addis Abeba / Wien – Bei Wasser hört sich die Freundschaft auf. Das lässt sich derzeit gut im Nordosten Afrikas beobachten. Dort, in Ägypten, liegen seit einiger Zeit die Nerven blank. Weil sich ein Riesenstaudammprojekt in Äthiopien, das mit europäischer Beteiligung errichtet wird, der Fertigstellung nähert, sollte möglichst schnell ein Vertrag für die anschließende Befüllung des Stausees vorliegen. Ein solcher ist aber trotz diverser Anläufe noch immer nicht in Sicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Streitparteien.

Die Ägypter fürchten, bei zu rascher Befüllung des Stausees durch Äthiopien deutlich weniger Wasser zu bekommen, als für eine gedeihliche Weiterentwicklung des Landes nötig wäre. Äthiopien hingegen will mit dem rund vier Milliarden Euro teuren Projekt seine Stromproduktion schnell um ein Vielfaches steigern. Für viele Äthiopier ist Elektrizität ein Fremdwort. Mit den zusätzlichen 6.000 Megawatt Strom will die Regierung in Addis Abeba die Zukunft des Landes vorantreiben.

Kein Staat ist jedoch derart abhängig vom Nil wie Ägypten. Sudan, das zweite vom Projekt betroffene Land, kann im Gegensatz zum nördlichen Nachbarn auf sämtliches Wasser zurückgreifen, das der Weiße Nil liefert. Dieser vereinigt sich in Khartum, der Hauptstadt von Sudan, mit dem Blauen Nil, der nach der voraussichtlichen Fertigstellung der Talsperre in Äthiopien Ende 2019 aufgestaut wird. Der Stausee soll 74 Milliarden Kubikmeter fassen. Das entspricht annähernd der Menge, die jährlich den Nil hinabfließt.

Angst vor Landverlust

Addis Abeba will in einem Zeitraum von drei Jahren die maximale Menge Wasser aufgestaut haben. Damit würde Ägypten aber rund die Hälfte der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verlieren, ließen Regierungsstellen in Kairo den STANDARD wissen. Selbst wenn sich Äthiopien sechs Jahre Zeit ließe, verlöre Ägypten rund 17 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche.

Das weitgehend aus unfruchtbarer Wüste bestehende Land der Pharaonen deckt derzeit mehr als 90 Prozent seines Bedarfs mit Wasser aus dem längsten Fluss der Welt. Selbst Touristenorte wie Hurghada am Roten Meer werden über eine Rohrleitung von Luxor mit Wasser aus dem Nil versorgt.

Zudem leben rund 95 Prozent der mittlerweile gut 100 Millionen Einwohner Ägyptens dicht gedrängt an seinen Ufern. Und die Bevölkerung wächst weiter stark. Pläne, der Wüste durch künstliche Bewässerung weiter anbaufähige Gebiete abzuringen, müsste Ägypten dann wohl ebenfalls fallen lassen bzw. zeitlich nach hinten verschieben.

Auf Grundlage eines Abkommens von 1959 stehen Ägypten 55,5 Milliarden Kubikmeter zu, dem Sudan 18,5 Milliarden. Darauf pochen beide Staaten. So soll es auch weiterhin sein – im langfristigen Durchschnitt, sagen die Äthiopier. Drei-Staaten-Gespräche sind erst in der Vorwoche in Khartum ergebnislos verlaufen.

Werben um Investoren

In den kommenden Tagen wird ein neuer Anlauf unternommen, die verfahrene Situation zu entkrampfen. Auf Einladung von Ägyptens Außenminister Samih Schukri werden sich dessen Kollegen aus Äthiopien und dem Sudan plus die für Bewässerungs- und Sicherheitsfragen zuständigen Minister der jeweiligen Länder zu einer Neunerrunde in Kairo zusammenfinden. Der genaue Termin müsse noch fixiert werden, hieß es in der ägyptischen Botschaft in Wien.

Zuvor, nämlich diesen Donnerstag und Freitag, kommt eine 18-köpfige ägyptische Wirtschaftsdelegation nach Wien. Geworben wird unter anderem um Investoren – auch und vor allem für Entsalzungsanlagen. Man weiß ja nie, wie der Streit mit Äthiopien ausgeht. (Günther Strobl, 25.4.2018)