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Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea wird streng kontrolliert. Menschen im Norden des Südens hoffen, dass zumindest einige sie bald passieren dürfen.

Foto: Foto: Reuters / Kim Hong-Ji

Als die erste Granate in der Ferne explodiert, gefolgt von einer langanhaltenden Maschinengewehrsalve, verzieht Jang Seok-gwon keine Miene. "Die Armee hat hinter dem Berg einen Schießstand, Militärübungen gehören für uns zum Alltag", sagt der 64-Jährige stoisch. Herr Jang ist Bürgermeister von Myeongpa-ri, dem nördlichsten Dorf Südkoreas. Nur wenige hundert Meter entfernt schlängelt sich die innerkoreanische Grenze durch die malerischen Gebirgszüge der Ostküste.

Noch vor zehn Jahren florierte das Dorfleben, Fischrestaurants säumten die Hauptstraße, und Interessierte aus allen Teilen Koreas strömten in den Grenzort. Dann jedoch eskalierte der Nordkorea-Konflikt zusehends, und die Besucher blieben aus. Seither erschweren immer neue Militärbestimmungen den Alltag der rund 300 Bewohner: regelmäßige Evakuierungsübungen, eine Sperrstunde ab acht Uhr abends, langwierige Passkontrollen an Checkpoints. "Fast alle Familien sind mittlerweile in die Stadt gezogen – zurück blieben nur die Senioren", sagt Bürgermeister Jang. "Unsere Hoffnung liegt nun auf den kommenden Gesprächen mit Nordkorea. Wir sind es leid, in ständiger Anspannung leben zu müssen."

Höhepunkt der Charmeoffensive

Am Freitag trifft Südkoreas Präsident Moon Jae-in Machthaber Kim Jong-un zum ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen seit elf Jahren. Es ist der Höhepunkt der Charmeoffensive des Nordens, die mit Kims Neujahrsansprache ihren Anfang nahm und später in der Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang mündete.

Südkoreas Ziel sind Vorschläge, um den seit Ende des Koreakriegs 1953 geltenden Waffenstillstandsvertrag durch ein nachhaltiges Friedenskonstrukt auszutauschen. Die Nordkoreaner hoffen auf eine Lockerung der strikten UN-Wirtschaftssanktionen. Vor allem aber pochen sie auf einen Nichtangriffspakt seitens der Amerikaner – andernfalls werden sie ihr Atomprogramm unmöglich zur Verhandlung stellen, so wie Washington das fordert.

Komplette Abrüstung

"Nordkorea und die USA misstrauen einander zutiefst. Südkorea hat sich als Vermittler eine wichtige Rolle in dem Konflikt zurückgeholt", sagt Cheong Seong-chang, politischer Berater von Präsident Moon. Seine Regierung hat bereits verlautbart, dass Nordkorea bereit sei, sein Nuklearprogramm komplett abzurüsten.

Träumt Seoul gar von einer Wiedervereinigung? "Es ist noch viel zu früh, darüber zu reden. Was jedoch möglich ist: Handel und Austausch zu verstärken."

Wie das ausschauen könnte, lässt sich am innerkoreanischen Transitbüro nahe der Ostküste erfahren: Ein gläserner Bahnhof wurde hier während der "Sonnenscheinpolitik" der Jahrtausendwende in die unberührte Landschaft der entmilitarisierten Zone gebaut. Stolze 13 Millionen Dollar zahlten die südkoreanischen Steuerzahler dafür. Der geflieste Boden in der überdimensionalen Wartehalle glänzt im Licht der Abendsonne, die Wände riechen frisch gestrichen. Doch die gespenstische Stille verrät: In den letzten Jahren hat bis auf die uniformierten Soldatenpatrouillen kaum jemand die Metalldetektoren des Grenzübergangs passiert.

Warten auf den Zug

"Momentan pflegen wir nur die Anlagen, aber zwischen 2003 und 2008 sind hier fast zwei Millionen Südkoreaner Richtung Norden gereist", sagt der Leiter des Transitbüros, Woo Gye-geun. Hyundai-Konzerngründer Chung Ju-yung, der selbst im Norden geboren wurde, errichtete im 27 Kilometer entfernten Diamantengebirge ein Ferienresort, in dem später auch die Zusammenführungen der vom Koreakrieg getrennten Familien abgehalten wurden.

Als im Juli 2008 ein nordkoreanischer Soldat eine südkoreanische Wanderin im Sperrgebiet niederschoss, wurde das Projekt stillgelegt. Laut Woo Gye-geun könnte sich das nach den Gesprächen bald ändern: "Im Grunde ist ja alles noch intakt. Wenn die Order kommt, können hier in einem Monat wieder Züge fahren." (Fabian Kretschmer aus Myeongpa-ri, 25.4.2018)