Viehzucht kann an manchen Orten tatsächlich die effizientere Bewirtschaftung von Land darstellen.

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Dagmar Wöbken forscht über Mikroorganismen und deren Funktion in Ökosystemen.

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Welche Rolle Landwirtschaft und Viehzucht bei der Emission von Gasen spielen, die den Treibhauseffekt befeuern, erklärte Mikrobiologin Dagmar Wöbken im Rahmen der "Semesterfrage". Die Community im STANDARD-Forum hat zum Thema "Wie hängt unsere Ernährung mit dem Klima zusammen?" lebhaft diskutiert und zahlreiche Postings verfasst. Die Mikrobiologin gibt Antworten auf die wichtigsten Diskussionspunkte im Forum.

Dagmar Wöbken: In mehreren Postings haben User erwähnt, dass in Gegenden, in denen nur Weidewirtschaft machbar ist, gegen diese nichts einzuwenden sei. Dagegen wurde es als problematisch angesehen, dass der hohe Fleischkonsum in Ländern wie Österreich nur möglich ist, da das Futter für die Tiere aus anderen Ländern zugekauft wird. Dieser Meinung stimme ich zu. In Gegenden, die für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln ungeeignet sind, wie zum Beispiel die Berggegenden in Österreich, ist es tatsächlich sinnvoll, Viehwirtschaft zu betreiben. Dieses Fleisch kann man dann auch mit besserem Gewissen essen. Da die Nachfrage nach Soja beispielsweise nicht mit dem Anbau in Österreich gedeckt werden kann, wird es aus anderen Ländern zugekauft. Damit fehlt allerdings in diesen Ländern wieder die Fläche, um Pflanzen anzubauen, die direkt vom Menschen konsumiert werden können.

Wöbken: Es ist tatsächlich so, dass sehr hoher Fleischkonsum, besonders von rotem Fleisch im Gegensatz zu Geflügel, auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben kann. Natürlich ist Fleisch ein wichtiger Proteinlieferant, und eine Quelle für Vitamine (A, B1 und B12), sowie für Eisen, Zink und andere Spurenelemente. Allerdings zeigen Studien, dass ein zu hoher Konsum von rotem Fleisch – besonders, aber nicht nur in stark verarbeiteter Form – die Wahrscheinlichkeit für Typ-2-Diabetes, Darmkrebs und Herzerkrankungen erhöht und die Lebenserwartung verringert. Eine groß angelegte Studie unter Europäern zeigte zum Beispiel, dass der Konsum von mehr als 60 Kilogramm rotem Fleisch pro Jahr gegenüber vier bis sieben Kilogramm mit einer Zunahme der Mortalitätsrate von 14 Prozent assoziiert war. Diese Werte liegen sogar noch höher bei stark verarbeitetem Fleisch. Auch aus diesen Gründen wäre ein reduzierter Fleischkonsum für uns sinnvoll. Und hier ist nicht die Rede von einem vollständigen Verzicht auf Fleisch.

Wöbken: In einigen Postings wurde ein weiterer Punkt angesprochen, den man in der Diskussion "Wie können wir die Auswirkungen der Landwirtschaft für die Umwelt begrenzen?" berücksichtigen sollte – nämlich die Verschwendung von Lebensmitteln. Weltweit geht ein Drittel der Lebensmittel, die für unseren Verzehr produziert werden, verloren – es handelt sich dabei um 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr. Das bedeutet auch eine große Verschwendung von Ressourcen, die in die Produktion dieser Nahrungsmittel investiert wurden. Und damit zwangsläufig eine nicht notwendige Emission von Treibhausgasen.

Nahrungsmittel gehen in der gesamten Versorgungskette verloren oder werden verschwendet – in der landwirtschaftlichen Produktion, bei der Lagerung, wenn Nahrungsmittel nicht einem bestimmten Qualitätsstandard entsprechen und beim Verbraucher, der oft noch essbare Lebensmittel wegwirft. Wenn man es für die Industrieländer Europas und Nordamerikas hochrechnet, werden pro Kopf zwischen 280 und 300 Kilogramm Nahrungsmittel pro Jahr verschwendet, wovon 95 bis 115 Kilogramm pro Jahr von den Verbrauchern weggeworfen werden. In armen Ländern gehen Nahrungsmittel hauptsächlich durch Probleme in der Infrastruktur, in der Lagerung und der Kühlung von Lebensmitteln verloren.

Wenn wir nach Lösungen suchen, um die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, sollten wir auch diese Punkte bedenken, um die Effizienz der Nahrungsmittelversorgung zu verbessern. Der Verschwendung von Lebensmitteln muss also auf vielen Ebenen entgegengewirkt werden – in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, im Handel und zuletzt auch beim Konsumenten.

Wöbken: In vielen Postings wurde angezweifelt, dass man großflächig auf biologische Landwirtschaft umsteigen und damit die Weltbevölkerung ernähren könnte. Auch in der Wissenschaft wird die Effizienz der biologischen Landwirtschaft seit mehreren Jahren stark diskutiert. Es gibt viele gute Argumente für eine Bio-Produktion von Nahrungsmitteln: Synthetische Düngemittel und Pestizide dürfen nicht genutzt werden, sie sind neben den schon diskutierten Folgen auch Ursache für einen Verlust an Biodiversität. In der Tierhaltung darf es nicht zur prophylaktischen Nutzung von Antibiotika kommen, und die Tiere müssen unter natürlicheren Bedingungen gehalten werden.

Wenn man die verfügbaren Daten zusammenfasst, zeigt sich, dass die Ausbeute in der biologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft durchschnittlich um 19 bis 25 Prozent geringer ist. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 50 Prozent Unterschied aus. Allerdings gibt es Pflanzen, die sehr viel besser abschneiden, wie zum Beispiel die Hülsenfrüchtler. Wenn man global auf biologische Landwirtschaft umsteigen wollte, würde es tatsächlich bedeuten, dass mehr Landflächen in landwirtschaftliche genutzte Flächen umgewandelt würden. Würden allerdings mehrere Faktoren zusammenkommen – weniger Verlust von Lebensmitteln in der Nahrungskette und effizientere Nutzung von Ressourcen durch geringeren Konsum von Fleisch und Milchprodukten –, dann müssten weniger Nahrungsmittel hergestellt werden. Dies wäre dann eher durch biologische Landwirtschaft möglich.

Kurzfristig ist biologische Landwirtschaft sicher nicht überall und für alle Produkte effizient und daher kein globales Modell. Allerdings ist die Ausbeute bei manchen Produkten durchaus mit der konventionellen Landwirtschaft vergleichbar und sollte dann auch angewendet werden. (Dagmar Wöbken, 26.4.2018)