St. Pölten – Wo sich heute die Altstadt St. Pöltens befindet, lag während der römischen Kaiserzeit die Stadt Aelium Cetium, Teil der Provinz Noricum. Der Boden ist dort immer noch voller Reste der um 450 aufgegebenen Siedlung: So wurden nun bei archäologischen Grabungen vor dem Baubeginn für ein Wohnprojekt am Karmeliterhof erneut Funde freigelegt.

Graben, Säubern, Dokumentieren

Neben Überresten von Gebäuden wurden auch Skelette aus der Spätantike bzw. dem Frühmittelalter sowie Münzen und Gefäße entdeckt, sagte der örtliche Grabungsleiter Joachim Thaler von der Firma Ardig bei einem Rundgang am Mittwoch. Der rund 1.000 Quadratmeter große Teil des Grundstücks, auf dem derzeit gegraben wird, ähnele inzwischen einem "Emmentaler".

Die Grabungen auf dem insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Areal haben im August 2017 begonnen, das bisherige Fundmaterial füllt laut Thaler 120 bis 130 Bananenkisten. Die Funde werden gereinigt und dokumentiert. Auf einem "Schmankerl-Tisch" liegen etwa Gefäße, Kacheln mit figürlichen Darstellungen und eine Flügelfibel, also eine Gewandspange, die Teil der Tracht in den römischen Provinzen Noricum und Pannonien war.

Stichwort Karmeliterhof

Beim Karmeliterhof handelt sich laut dem Stadtarchäologen Ronald Risy um einen der wenigen Plätze im Kernbereich der niederösterreichischen Landeshauptstadt, an dem die Parzellierungs- bzw. Gebäudestruktur freigelegt werden kann. "Es ist wie ein Puzzlespiel, wir untersuchen den 'Tatort Geschichte'", meinte Risy. Kleine Steine an "Indizien" werden zusammengelegt.

Der Name des Areals geht auf das Karmelitinnenkloster zurück, das 1712 bezogen und 1782 durch Josef II. aufgehoben wurde. Bis 1918 wurde das Gebäude als Kaserne genutzt. Nun soll bis 2020 ein Projekt mit Mietwohnungen und Tiefgarage entstehen, der Baubeginn ist für heuer geplant. Da es sich um ein Bodendenkmal handelt, werden vor dem Start der Bauarbeiten archäologische Grabungen durchgeführt.

Grabungen an mehreren Orten

Nach dem Abtragen von frühneuzeitlichen und mittelalterlichen Schichten ist auf römischem Niveau die 14 Meter lange Bruchsteinmauer eines Gebäudes aus dem 2. oder 3. Jahrhundert zutage getreten. Ebenfalls entdeckt wurden eine römische Herdstelle, Münzen aus der Spätantike, Öfen und ein Brunnen aus dem Mittelalter sowie Reste eines Übungsplatzes der früheren Kaserne. Bisher wurden außerdem vier bestattete Menschen freigelegt. Nächste Woche soll im Süden des Geländes zu graben begonnen und das Personal aufgestockt werden.

Auf einem anderen Schauplatz in St. Pölten – dem Domplatz – sollen die seit 2010 laufenden archäologischen Grabungen voraussichtlich mit Ende nächsten Jahres beendet sein, sagte Risy. Bisher wurden auf dem Areal, auf dem sich früher ein Friedhof befand, 16.661 Individuen freigelegt und dokumentiert. Allein im Vorjahr waren es 4.014 – ein Rekord.

Die Ausgrabungen sind die gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung für eine Neugestaltung des Platzes im Zentrum der Stadt. Demnächst soll nach dem Abbruch eines Gebäudes auch ein Grundstück in der Linzerstraße untersucht werden, ebenso weitere Areale vor Bau-Großprojekten im Stadtgebiet. (APA, red, 26. 4. 2018)