"In Linz beginnt’s", an diesen alten und abgedroschenen Werbeslogan für die Donaustadt musste ich bei der Eröffnung von Crossing Europe unwillkürlich denken. Den Anlass lieferte am Mittwochabend Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer. Stolz sprach sie vom Ruf des Filmfestivals als Talenteschmiede — und übertrieb es damit dann ein bisschen. Gewiss, die Arbeiten von Regisseur Ruben Östlund wurden tatsächlich mehrfach in Linz gezeigt. Dass die Karriere des Schweden, der 2017 mit The Square die Goldene Palme von Cannes gewonnen hat, in Linz ihren Anfang nahm, das war dann doch eine Spur zu leidenschaftlich gedacht.

Es gibt Menschen, geheilte Zombies und Internierte, die immer noch der Hunger nach Menschenfleisch quält.
Foto: Crossing Europe

Einerlei. Mehr ist mehr, und dann beginnt das Festival in Linz ja auch immer gleich fünf Mal. Festivaldirektorin Christine Dollhofer wählt stets eine Handvoll Filme für die Eröffnung aus. Das ist schon deswegen klug, weil einer allein ohnehin nie alle zufrieden stellt. Ich begann das Festival dieses Jahr mit einem Film aus der Nachtschiene, der von Markus Keuschnigg kuratierten Sektion um Genrefilme. Der moderierte The Cured auch an, charmant (und auf andere Art leidenschaftlich als Lang-Mayrhofer) verriet er beispielsweise, dass er sich schon seit Kindheit an mit den Monstern im Film identifizieren würde.

Trailer zu "The Cured".
IFC Films

In The Cured ging es dann aber mehr um ehemalige Monster und die Frage, was davon übrig bleibt. Ein gutes Beispiel für amphibisches Kino: beeinflusst vom Horrorfilm, insgesamt jedoch mehr Außenseiterdrama mit Gegenwartsbezug.

Hunger nach Menschenfleisch

Der Ire David Freyne setzt die Handlung nach Ausbruch einer Virus-bedingten Katastrophe an, die viele Menschen in seiner Heimat in Zombies verwandelt hat. Es wurde ein Anti-Serum gefunden, aber nicht alle sprechen darauf an. Nun gibt es Menschen, geheilte Zombies und einige Tausend Internierte, die immer noch der Hunger nach Menschenfleisch quält. Zwischen den Gruppen herrscht Argwohn. Diejenigen, die nie krank waren, betrachten die Resozialisierten nicht auf Augenhöhe. Ein militanter Teil der Ex-Zombies ruft deshalb zu Maßnahmen auf.

"The Cured": Setting des wechselseitigen Misstrauens.
Foto: Crossing Europe

The Cured ist schon deshalb sehenswert, weil er dieses Setting des wechselseitigen Misstrauens mit dem richtigen Maß herstellt. Die "gory details" aus der Vergangenheit blitzen nur gelegentlich, in schockartigen Erinnerungen auf; stärker lässt sich der Film auf Verzweiflung der Figuren ein und variiert dies dann mit spannungsgeladenen Szenen, in denen auch die Verhärtungen der Gegenwart anklingen.

Ich fühlte mich trotzdem stärker an den Nordirland-Konflikt erinnert: Damals gab es auch starre Fronten und zweierlei Terror, und jene, die ein Zusammenleben der Konfessionen wollten, sich aber mit der Durchsetzung der Vernunft ziemlich schwer taten. (Dominik Kamalzadeh aus Linz, 26.4.2018)