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Joshua Kimmich erzielte gegen Real Madrid ein Tor. Seine Teamkollegen hätten für weitere sorgen sollen.

Foto: REUTERS/MICHAELA REHLE

München – Noch in der Kabine beschworen die Stars des FC Bayern trotzig das "Wunder von Bernabeu". Doch zunächst überwogen bei den Münchnern Frust und Wut "über die eigenen Unzulänglichkeiten", wie es Kapitän Thomas Müller nach dem unnötigen 1:2 (1:1) im ersten Teil des Gigantenduells mit Titelverteidiger Real Madrid ausdrückte. Der Ausfall von Jerome Boateng trübte die Stimmung zusätzlich.

"So kann man nicht gewinnen"

"Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Es hat die Kaltschnäuzigkeit gefehlt. Wir brauchen im Abschluss eine andere Mentalität. Wir haben Real leben lassen. Das ist sehr enttäuschend", schimpfte Müller nach einem Spiel der vergebenen Chancen. Sein Team habe "Geschenke verteilt", monierte Trainer Jupp Heynckes. "So kann man nicht gewinnen."

Dabei wäre es leicht möglich gewesen, Cristiano Ronaldo und Co die Grenzen aufzuzeigen. Ein 5:2 war laut Niklas Süle drin, ja sogar ein 7:2, wie Joshua Kimmich meinte. Doch anstatt halbwegs entspannt ins Rückspiel am Dienstag (20.45 Uhr, ORF, ZDF und Sky) im berühmten Santiago Bernabeu zu gehen, droht den Bayern wie immer seit dem Triple 2013 im Finale der Königsklasse die Zuschauerrolle.

Noch allerdings glauben sie an das Wunder und das Finale in Kiew am 26. Mai. "Es hat in der Kabine keiner gesagt, scheiße, wir sind raus. Alle haben gesagt, dass noch alles drin ist", sagte Süle. "Wir werden uns aufrichten, und dann schauen wir am Dienstag, ob wir den Arsch in der Hose haben", ergänzte Müller.

Real verwundbar, Ronaldo blass

Mut macht nach der dritten Heimpleite in Serie gegen die Königlichen die wenig berauschende Vorstellung von Real, insbesondere des diesmal blassen Ronaldo. Man habe nicht nur in der Allianz-Arena, sondern schon bei Madrids 1:3 im Viertelfinal-Rückspiel gegen Juventus gesehen, "dass Real verwundbar ist in der Defensive. Daraus können wir Hoffnungen schöpfen", sagte Heynckes.

Er habe im Lauf seiner langen Trainerkarriere gelernt, "dass man sich nie aufgeben darf. Wir haben in Madrid nichts zu verlieren, können dort befreit aufspielen."

Boateng droht WM-Aus

Befreit vielleicht, sicher aber geschwächt. Neben Manuel Neuer, Arturo Vidal und Kingsley Coman fehlt in Spanien auch Boateng, dem wegen seiner Oberschenkelverletzung sogar das WM-Aus droht. Auch Arjen Robben ist wegen Muskelproblemen fraglich.

Als Ausrede für ein mögliches Ausscheiden wollte Müller das aber nicht gelten lassen: "Das nimmt uns zwar Optionen, aber wir haben einen exzellenten Kader, das hat fürs Rückspiel nichts zu sagen."

Real fühlt sich noch nicht im Finale

Real ist auf jeden Fall gewarnt. In der vergangenen Saison hatte das Team von Trainer Zinedine Zidane in München auch 2:1 gewonnen, musste im Rückspiel aber in die Verlängerung gehen (4:2). "Wir werden leiden müssen, die Bayern können das auch im Bernabeu noch wettmachen", sagte er. Kapitän Sergio Ramos pflichtete bei: "Wir haben noch nichts erreicht."

Und Toni Kroos verließ seine alte Heimat nicht gerade euphorisch: "Das Ergebnis war glücklich. Wir haben gesehen, wie stark Bayern ist."

Müller fordert "Killermentalität"

Aber diesmal eben trotz einer Vielzahl hochkarätiger Möglichkeiten nicht effizient. "Die schießen zweimal aufs Tor, und zweimal klingelt es. Das ist auch Qualität – und wir haben genug Chancen und machen sie nicht", kritisierte Kimmich. Namen nannte er nicht – aber auch Torjäger Robert Lewandowski dürfte gemeint gewesen ein. Der 29-Jährige blieb einmal mehr den Beweis schuldig, in großen Spielen ein entscheidender Faktor zu sein.

Man müsse im Bernabeu dringend eine "andere Killermentalität" zeigen, betonte Müller: "Wenn du wieder so einen Tag hast, dass du vor dem Tor nichts triffst, wird es schwer."

Wie es geht, zeigte ein laut Sportdirektor Hasan Salihamidzic "eiskaltes Real". Erst glich Marcelo (44.) mit dem ersten Torschuss die Führung durch Kimmich (28.) aus, dann nutzte Marco Asensio (57.) einen kapitalen Schnitzer von Rafinha aus. In Madrid werde man "alle Kräfte bündeln", sagte Salihamidzic, aber: "Wir müssen schon einen guten Tag haben." (sid, 26.4.2018)