DJ Ötzi stürmte im Jahr 2000 mit "Hey Baby (Uhh, Ahh)" die britischen und australischen Charts – und noch ein paar mehr.

EMI

Das Königreich wankte, aber es fiel nicht. Im Jahr 2000 stieg DJ Ötzi in der Glut des Sommers zur Nummer eins der englischen Charts auf. Eine Woche nur, aber es reichte aus, um "Hey Baby (Uhh, Ahh)" auf der Insel Gold- und Platinstatus einzubringen.

Hier wie dort war man unangenehm berührt, aber es ging ja noch weiter: Nummer eins in Australien, in Frankreich angeblich 800.000 verkaufte Singles, und in 20 weiteren Ländern kletterte "Hey Baby" in die Charts. In den USA soll es gar von Countrysendern gespielt worden sein – warum auch immer. Vielleicht weil das Original von Bruce Channel 1962 in den USA ein Nummer-eins-Hit war.

DJ Ötzi verwurstet Bruce Channels "Hey Baby".
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Das gab es davor so nicht oft. Große internationale Erfolge heimischer Popmusiker waren und sind selten. Opus gelang das mit "Live Is Life", Falco chartete ab seinem ersten Album international und war mit "Rock Me Amadeus" die Nummer eins in den USA, Bilgeri feierte mit "Video Life" Erfolge in Brasilien und Argentinien, Supermax chartete ebenfalls in den USA, Waterloo und Robinson waren mit "Hollywood" international erfolgreich – dann dünnt es außerhalb des deutschsprachigen Raums bald aus.

Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" österreichischer Popmusik. Einzelne Alben, Songs und Künstler, die die heimische Populärmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.

DJ Ötzi ist der Nom de Party des Gerhard Friedle. Der aus St. Johann in Tirol stammende Sänger ist einer der erfolgreichsten österreichischen Musiker der letzten 20 Jahre. Seinen Erfolg erreichte er im Grenz- und Graubereich des Schlagers sowie dessen neuzeitlicher Auslegung, dem Technoschlager.

Einfache Vergnügen

Es ist das Fach einfacher Vergnügen: Après-Ski, Ballermann, Massenmaturareisen, billige All-inklusive-Resorts – diese Abteilung, kein Weltkulturerbe-Verdacht.

Das Fach brachte, bringt und sichert österreichischen Musikverlagen bedeutende Umsätze. Außerhalb des deutschsprachigen Raumes werden diese Nischenprodukte kaum wahrgenommen – mit Ausnahmen, wie eingangs erwähnt.

Karaoke und Strache-Rap

Friedle rutschte über Karaoke ins Popgeschäft, wo er vom Produzentenverband Ultimatief unter Vertrag genommen wurde. Ultimatief waren Mark Duran, Claus Marcus, Christian Seitz und Klaus Biedermann, ihr Name Programm.

Biedermann ist der Bruder des bekannten Hip-Hop-Plattendrehers DJ DSL. Das Team brachte Ende der 1990er-Jahre Acts wie A Klana Indiana in die Charts, Biedermann produzierte später Heinz-Christian Straches "HC Strache Rap" – weitere Hits trugen Titel wie "Ski Heil, is des geil" oder "Wer jetzt net hupft ist schwul". Höchstes Niveau.

Kunst aus dem Hause Ultimatief – der Name war Programm.
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Ultimatief produzierte 2000 "Anton Featuring DJ Ötzi – Das Album". Ab da gab es kein Halten mehr: 2001 folgte "Love, Peace & Vollgas" – von Kritikern gerne Love, Peace & Vollschas genannt.

Radioboykott in Deutschland

Der Erfolg von "Hey Baby" festigte den Status von Friedle, wobei es durchaus Rückschläge gab. 2003 erschien der "Burger Dance". Ein Hit zwar, doch intellektuell derart unterfordernd, dass sich deutsche Radiosender weigerten, ihn in ihr Programm zu nehmen.

"Sternstunde"

Dennoch wuchs Ötzi zum Fixgestirn des Schlager-Pop und Partyhimmels, wo er 2007 mit Nik P. und "Der Stern, der deinen Namen trägt" eine weitere, ähem, Sternstunde des Fachs verantwortete.

Das ist alles keine besonders schöne oder anspruchsvolle Kunst, aber es ist ein Teil der österreichischen Wirklichkeit, ein Teil der hiesigen Popkultur. Wir erinnern uns zähneknirschend: Pop ist die Abkürzung von populär.

Zwölf-Schnaps-Lieder

Es ist eine im Sinne des Souterrains niederschwellige Kunst. Sie ist rein funktionell ausgelegt und spricht ein Publikum an, das auf der Hütte noch nach zwölf Schnäpsen den Refrain mitsingen können will.

Weil sie nicht mehr will und ihre anvisierte Abzocke so deutlich ausstellt, wird dieser Musik gerne Zynismus unterstellt. Berechnung wäre wohl treffender. Sie vermanscht Schlager, volkstümliche und simpelste Bumm-Tschak-Musik zu einem stromlinienförmigen Partysound. Es ist Musik für Menschen, die sich nicht für Musik interessieren.

DJ Gletscherleiche

Zehn Alben hat der nach einer Gletscherleiche benannte DJ bis heute veröffentlicht – als DJ ist er in all der Zeit nicht aufgefallen, aber das ist natürlich von Anbeginn an nur ein Gag gewesen, der zeitgeistig Modernität suggerieren sollte. Wer ihm das abgekauft hat, hat ihm wohl auch seine Musik abgenommen. (Karl Fluch, 28.4.2018)