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Foto: Reuters/Handout

Der Artikel klingt geradezu euphorisch. Die politischen Führer von Nord- und Südkorea haben sich in einem Vertrag zum Abbau aller Aggressionen verpflichtet, schreibt die "New York Times". Sie garantieren die unblutige Beilegung ihres Konflikts und wollen darauf hinarbeiten, den Koreakrieg endlich mit einem formellen Friedensvertrag zu beenden. Geplant sind auch vertrauensbildende Maßnahmen und gegenseitige Besuche. Es ist der 13. Dezember 1991.

Tauscht man die Namen der handelnden Personen aus, könnte der Text heute fast wortgleich wieder erscheinen. An den grundlegenden Problemen hat sich seit damals wenig geändert, sie sind nach Nordkoreas Atom- und Raketenrüstung sogar schlimmer geworden.

Dass aus der Euphorie schnell wieder Spannung werden kann, bewahrheitete sich nicht nur damals. Auch nach den Gipfeln von 2000 und 2007 hat die Geschichte gezeigt: Nicht alles, was auf der Koreanischen Halbinsel optimistisch beginnt, findet ein gutes Ende. Dies alles sollte man bedenken, wenn man den Gipfel vom Freitag betrachtet.

Das soll die Erfolge nicht schmälern, die beide Staaten in nur wenigen Monaten erzielt haben. Während im Herbst noch düstere Schätzungen über Opferzahlen eines Atomkriegs in den Zeitungen standen, darf man nun über gemeinsam gepflanzte Bäume berichten und über geografische und mentale Grenzen, die Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gemeinsam überschreiten.

Annäherung bringt Hoffnung

Die Annäherung erlaubt auch konkrete Hoffnungen: Ab August werden wieder 80- und 90-Jährige zu Familientreffen kommen dürfen, bei denen sie Brüder, Schwestern, Ehemänner und -frauen wiedersehen, von denen sie der Koreakrieg getrennt hat. Das alles zeigt, dass Fortschritt möglich ist, die Bereitschaft dazu belohnt wird und dass Pessimismus nicht die einzige Linse ist, durch die man internationale Politik sehen muss.

Aber auch Optimismus und Euphorie allein lösen nicht die vielen Probleme, die es in den Beziehungen noch immer gibt. Zwar haben sich Kim und Moon auf eine nuklearwaffenfreie Halbinsel geeinigt, doch gibt es keinen Mechanismus zur Überprüfung. Zwar mögen sich Nord- und Südkorea einen Friedensvertrag wünschen – doch unterzeichnen können sie ihn nur mit Zustimmung der USA und Chinas, weil diese, anders als Seoul, den Waffenstillstand garantieren. Und auch wenn beide das Ergebnis des Treffens am Freitag begrüßten: Eine Wiedervereinigung will weder Washington noch Peking. Die USA fürchten sinkenden Einfluss in der Region, wenn sie ihre Soldaten aus Südkorea abziehen müssen. China will den Pufferstaat Nordkorea behalten, der das Land vom US-Partner Seoul trennt.

Aus all diesen Gründen darf die gute Stimmung die Beteiligten nicht davon abhalten, sich auch auf ein Scheitern der Partnerschaft vorzubereiten. Tun sie dies nicht, könnte der Optimismus umso tiefer in die nächste Krise führen. (Manuel Escher, 27.4.2018)