Programmplanung auf Festivals funktioniert dann am besten, wenn sie Platz für Eventualitäten lässt. Ich nehme mir stets vor, offen für Empfehlungen zu bleiben; und manchmal erreicht mich auch noch eine im allerletzten Moment ausgesprochene Warnung. So geschah es, dass ich gestern doch noch einen weiteren der fünf Eröffnungsfilme sehen konnte, der sich als kurzfristige Alternative zu einer Streichung anbot.

"Silvana": Porträt der schwedischen Rapperin Silvana Imam.
Foto: Crossing Europe

"Silvana", inszeniert von dem Regietrio Mika Gustafson, Olivia Kastelbring und Christine Tsiobanelis, ist das Porträt der schwedischen Rapperin Silvana Imam. Die Tochter eines Syrers und einer Litauerin war schon als Teenager ein Tomboy. Auf der Bühne ist sie nun eine Identifikationsfigur, die offen für Homosexualität eintritt, aber auch andere Anschlüsse erlaubt. Die hochgewachsene Blondine skandiert "fight the patriarchy", sie reißt Witze über Nazis, nimmt kämpferische Posen ein, bisweilen auch mit vermummtem Gesicht. Und sie posiert gerne mit ihrem Herzblatt Beatrice Eli, einem weiteren Popstar, als lesbisches Vorzeigepaar.

Von der Rebellin zum Star

Der Film vollzieht mit, wie aus der ehrgeizigen Rebellin in nur kurzer Zeit ein Hip-Hop-Star entsteht. Mich hätte interessiert, wie viel an ihrer Starpersona eigentlich Konstruktion ist. Im Gespräch danach verriet Silvana etwa, dass sie eigentlich einen Master in Psychologie absolviert hat — kein Wort davon findet sich leider im Film.

Trailer zu "Silvana".
Influence Film

Mit Blick auf Silvanas Engagement für Minderheiten (und jüngste Skandale um antisemitische Rülpser von deutschen Rappern) bleibt es jedenfalls verblüffend, auf wie viel Resonanz ihre Auftritte beim Publikum stoßen. Die schwedischen Teenager hängen an ihren Lippen, manche den Tränen nah. Silvana selbst wurde nach nur einem Jahr der Ruhm zu viel. Sie musste eine Korrektur an der überlebensgroßen Heldinnenpose vornehmen.

Pegida-Sympathisanten

Gesellschaftliches Kontrastprogramm bot danach Sabine Michels Dokumentarfilm "Montags in Dresden". Nach Self-Empowerment aus Skandinavien folgen drei Pegida-Sympathisanten als Downer. Die Regisseurin, selbst in Dresden aufgewachsen, will diese besser verstehen, nicht gleich vorweg verurteilen.

Eine arbeitslose Hartz-IV-Empfängerin, die aus Angst vor einem nahen Bürgerkrieg im Keller Dosen gebunkert hat; ein Unternehmer, der von der Überfremdung des christlichen Abendlandes schwadroniert; ein ehemaliger Pegida-Vizechef, der zigmal wiederholt, warum er sich von den "Etablierten" nicht mehr vertreten fühlt.

Trailer zu "Montags in Dresden".
solo:film Berlin

In Deutschland hat der Film einigen Gegenwind dafür geerntet, dass er diesen Menschen so viel Raum überlässt. Das sollte man als offene Gesellschaft schon aushalten. Die Einsichten halten sich dennoch in Grenzen, weil Michel nicht tief genug schürft. Am ergiebigsten fand ich dann noch eine Szene, in der ein Besucher aus dem Westen einem der Aktivisten launig entgegentritt und danach fragt, was er als politische Alternative anzubieten hätte. Die Antwort bleibt er natürlich schuldig. Für diese Leute bietet es schon Halt, zu einer Gruppe zu gehören, die vor allem Ängste verbindet. (Dominik Kamalzadeh aus Linz, 27.4.2018)