Bei Crossing Europe haben Konzerte und DJs am höchsten Punkt des Gebäudes, am OK-Deck, von Anfang an zum Konzept gehört. Der perfekte Übergang von der einen Welt in die andere bot sich für mich dann am Freitag in Form von "Shut Up and Play the Piano" an, Philipp Jedickes rundum vergnüglichem Porträt des kanadischen Musikers Chilly Gonzales, meinem letzten Film des Tages.

Foto: Rapid Eye Movies/Gentle Threat

Wobei es Porträt nur dann trifft, wenn man es auf die Persona, die vielen Metamorphosen dieses Künstlers bezieht: von frühen Auftritten in Toronto als Teil des noisigen Kollektivs The Shit (gemeinsam mit Weggefährtin Peaches, er nannte sich damals noch Jason Beck), über die punkig-performative Neuerfindung im Berlin der 90er-Jahre bis zu jüngeren Auftritten mit klassischen Orchestern oder Pulp-Sänger Jarvis Cocker.

Foto: Rapid Eye Movies/Gentle Threat

Zum einen macht es wirklich großen Spaß, "Gonzo" bei seinen regelmäßig aus der Form laufenden Auftritten zuzusehen. Zum anderen leistet der Film aber auch mehr, als nur die Chronologie einer Laufbahn nachzuvollziehen. Shut Up and Play the Piano lässt sich nämlich als eine obsessive Suche nach künstlerischer Eigenständigkeit lesen: Vom Punk-Entertainer, der ein bisschen an den Hund Rowlf aus der Muppet-Show erinnert, zum im Morgenmantel in die Tasten hauenden Klaviersolisten beim RSO in Wien ist es ein logischer Schritt, wenn man Musik mit einer Unbedingtheit für sich beansprucht wie Gonzales. Mit Respektlosigkeit und Respekt, wie er im Gespräch mit Sibylle Berg einmal sagt. Das ist kein Widerspruch, sondern beschreibt die Spannung seiner Ausdruckskunst.

Foto: Rapid Eye Movies/Gentle Threat

Außerdem hat "Gonzo" im Film die beste Beschreibung von Avantgarde parat, die ich seit langem gehört habe. Der Avantgardist weiß über das Klavier, dass auf dessen Tasten schon alles Menschenmögliche realisiert wurde. Deswegen bleibt ihm nur der Weg, ins Klavier hineinzukriechen. (Dominik Kamalzadeh aus Linz, 28.4.2018)