Bruno Le Maire (links) und Olaf Scholz stehen am Samstag zum Abschluss des informellen Ecofins in Sofia einträchtig nebeneinander auf der Bühne.

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Sofia – Es kommt nicht so oft vor, dass der deutsche und der französische Finanzminister bei einem EU-Treffen eine gemeinsame Pressekonferenz abhalten. Das war der eine bemerkenswerte Aspekt am Umstand, dass Olaf Scholz (SPD) und Bruno Le Maire am Samstag in Sofia zum Abschluss des informellen Ecofins in Sofia einträchtig nebeneinander auf die Bühne traten. Scholz-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) hatte seine Auftritte seit Jahren vor allem genutzt, um die harte deutsche Haltung in Sachen Eurozone, Stabilitätspakt und strenge Haushaltsdisziplin zu erklären.

Der zweite auffällige Merkmal des Duoauftritts: Die Minister sprachen beide ausschließlich (und sehr gut) englisch, als sie über die Ziele ihrer beiden Länder, den Stand der Debatten zu Digitalsteuern, Reform der Eurozone und den Handelsstreit mit den USA referierten, und die Zukunft nach dem EU-Austritt Großbritanniens.

Die Absicht war klar und einprägsam. In Europa und der Welt sind große Umbrüche im Gange, die die Wirtschaft und Finanzen der EU-Staaten strukturell herausfordern. Insbesondere Frankreich, das (nicht nur sprachlich) in der EU gerne eine Sonderrolle spielte, zeigt sich wild entschlossen, diese Herausforderungen im größeren europäischen Rahmen gemeinsam mit Deutschland – dem wichtigsten Partner – offensiv zu attackieren. Er sei sich "sicher, dass es bereits in den kommenden Wochen gelingen werde, ein abgestimmtes Paket und einen Zeitplan für den Weiterbau und die Vertiefung der Eurozone vorzulegen", sagte Le Maire. Sein Präsident Emmanuel Macron werde mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel für den EU-Gipfel im Juni einen deutsch-französischen Vorschlag auf den Tisch legen können.

Scholz sieht in der EU neue Zeiten anbrechen

Scholz, für den das der erste Auftritt bei einem solchen informellen Ecofin war, bekräftigte das ausdrücklich: "Wir sind optimistisch, dass wir Erfolg haben werden." Es gebe im Detail bereits Fortschritte, sowohl was den geplanten Umbau des Euro-Rettungsfonds (ESM) zu einem echten Euro-Währungsfonds betreffe wie auch bei einzelnen Elementen der Bankenunion. Bemerkenswert und neu an Scholz war im Gegensatz zu Vorgänger Schäuble: Er signalisierte ganz klar, dass er in der EU spätestens nach dem Brexit neue Zeiten in der Europäischen Union anbrechen sieht.

Auf Deutschland kommt noch mehr Verantwortung zu, und damit die Notwendigkeit, mit Frankreich einen gemeinsamen konstruktiven reformorientierten Weg zu finden. Die Deutschen gelten wegen der Parteiturbulenzen und der latenten EU-Skepsis aus der bayrischen CSU als lähmend, in Europa als Bremser. Der gut orchestrierte Auftritt der beiden Finanzminister hatte daher vor allem das Ziel, diese Bedenken zu zerstreuen. Er sollte aber auch überdecken, dass die 28 EU-Finanzminister ganz und gar nicht einig sind, was wichtige Projekte wie den künftigen EU-Budgetrahmenplan oder neue Steuereinnahmen für die EU in Form von Digitalsteuern betrifft.

Letzteres war am zweiten Tag des Treffens das Hauptthema. Die EU-Kommission hatte dazu vor einem Monat einen Vorschlag präsentiert, der zum ersten Mal auf Ministerebene debattiert wurde. Währungskommissar Pierre Moscovici sieht die EU dabei als Vorreiter. Es sei "unakzeptabel", dass die klein strukturierten Unternehmen in Europa hohe Körperschaftssteuern zahlen müssten, die großen Digitalkonzerne vor allem aus den USA, wie Amazon, Google oder Facebook, aber nur einen Bruchteil davon. Sie nutzen den Fleckerlteppich der nationalen Steuerpolitiken in der EU und neue Geschäftsmodelle geschickt, um sich maximale Vorteile zu sichern. Die Kommission will daher ein EU-weites Modell der Besteuerung von Digitalgeschäften einführen, das sich am Umsatz orientiert, standortunabhängig ist und nicht am Gewinn, wie das Tradition hat.

Droht der Digitalsteuer das Schicksal der FTT?

Es zeigte sich in Sofia jedoch, dass die Vertreter der EU-Staaten in dieser Frage völlig uneins sind, auch wenn sie laut Moscovici "ernsthaft und engagiert" darüber reden wollen. Es drohe das Schicksal der Finanztransaktionssteuer (FTT), sagte ein Teilnehmer, dass die Digitalsteuer "im Sand verlaufe", bevor es überhaupt auch nur in die Nähe der Realisierung komme. Das Projekt FTT gibt es in der EU seit 2001. Alle Versuche, die Steuer auf Börsentransaktionen wenigstens in Form einer freiwilligen verstärkten Zusammenarbeit einer Gruppe von Ländern (mit Österreich und Deutschland) einzuführen, schlugen seit 2011 fehl.

Bei der Digitalsteuer könnten die Meinungsunterschiede der Länder auch nicht größer sein. Irland und Luxemburg zum Beispiel, die von den Aktivitäten der Digitalriesen profitieren, lehnen eine EU-Digitalsteuer komplett ab. Laut Moscovici könnten damit zum Start fünf Milliarden Euro in EU-Budgets gespült werden. Frankreich führt die Initiative zur Einführung einer solchen Steuer an. Minister le Maire sieht dies als absolute Notwendigkeit. Die Bürger würden langfristig nicht hinnehmen, dass ein Teil der digitalen Welt keine Beiträge zur Gemeinschaft leiste, sprich keine Steuern zahle. Dazwischen ist die Bandbreite groß.

Österreich unterstützt die Digitalsteuer (Finanzminister Hartwig Löger war in Sofia aber nicht dabei, weil krank), Deutschland im Prinzip auch. Einige Minister betonten Probleme der Umsetzung, solange auf OECD-Ebene nicht geklärt ist, wie man das Problem der digitalen Steuern global angehen wolle. Einig ist man sich nur, dass eine "faire Steuer" nötig wäre.

"Natürlich hat es heute keinen Konsens gegeben", räumte am Ende auch der Währungskommissar ein, "aber so ist Europa nun einmal". Das könne aber nicht bedeuten, dass man das Projekt nicht beginne, es sei "das wichtigste Steuerprojekt für das 21. Jahrhundert", so Moscovici. Die OECD will 2019 zunächst einmal einen ersten Bericht zum Thema vorlegen. (Thomas Mayer aus Sofia, 28.4.2018)