Kurz nach seinem Amtsantritt wurde das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt. Andreas Dombret, Vorstand der Deutschen Bundesbank, zieht anlässlich seines Ausscheiden Bilanz über die in der Zwischenzeit ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone. Und erklärt, dass ein drohender Handelskrieg das größte Risiko für die Weltkonjunktur darstellt. Zu wenig haben seiner Meinung nach die Staaten der Euroländer unternommen, um ihre hohen Schulden abzubauen.

STANDARD: Sie sind im Mai 2010, inmitten der Griechenlandkrise, Vorstand der Deutschen Bundesbank geworden. Wie krisenfest ist die Eurozone seither geworden?

Dombret: An dem Wochenende nach meinem Antritt wurde das erste Hilfspaket für Griechenland festgezurrt. Die Situation hat sich erst weiter verschlechtert und 2012 einen Tiefpunkt erreicht. Seither sind viele Verbesserungen vorgenommen worden. Wir haben in kurzer Zeit eine einheitliche europäische Bankenaufsicht und -abwicklung geschaffen. Auch die Einlagensicherung wurde harmonisiert. Die Banken haben ihr Kapital stark erhöht – in Deutschland hat sich die Kernkapitalquote in den vergangenen zehn Jahren von acht auf 16 Prozent verdoppelt.

STANDARD: Wirklich zur Entspannung beigetragen hat die Europäische Zentralbank mit ihren Staatsanleihekäufen. An diesem Einsatz gibt es Kritik der Bundesbank.

Dombret: Der EZB-Rat hat 2012 angekündigt, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Das hat – wenig überraschend – zu einem deutlichen Rückgang der Risikoprämien für Krisenländer an den Finanzmärkten beigetragen. Damit hat sich die Geldpolitik nach Ansicht der Bundesbank zu weit in den Aufgabenbereich der Finanzpolitik bewegt. Die Befürchtung, dass durch Zusicherung des EZB-Rats der Konsolidierungseifer in den Mitgliedstaaten nachlässt, war nicht ganz unbegründet.

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Dombret sieht viele Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone.
Foto: Reuters/Bobby Yip

STANDARD: Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite hält die EZB immer noch an Nullzinsen und Wertpapierkäufen fest. Ist das heute noch vertretbar?

Dombret: Wir streben eine Inflation von unter, aber nahe zwei Prozent auf mittlere Frist an. Dieses Ziel haben wir noch nicht erreicht, aber die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Deswegen rückt die geldpolitische Normalisierung näher, zumal von einer ultralockeren Geldpolitik auf Dauer Risiken ausgehen.

STANDARD: Die Konjunktur läuft blendend. Worin sehen Sie das größte Risiko einer Trendwende?

Dombret: Was irritiert, sind die protektionistischen Tendenzen, die derzeit zwischen den USA und China zu sehen sind. Dadurch entsteht eine völlig überflüssige Unsicherheit. Handelskriege sind nicht zu gewinnen. Wenn das so weitergeht, müssen wir uns ernsthafte Sorgen machen.

STANDARD: Deutschland wurde beim heiklen Thema Staatsanleihekäufe mehrmals überstimmt. Gibt es einen Riss in der EZB?

Dombret: Es kann nicht falsch sein, über den richtigen Weg in der Geldpolitik zu diskutieren, solange man sich im Ziel einig ist. Natürlich gibt es Diskussionen über geldpolitische Instrumente und den Zeitpunkt ihres Einsatzes. Es geht dabei um viel feinere Pulversorten, als manche glauben. Das ist völlig normal.

STANDARD:Bundesbankchef Weidmann wird als Nachfolger von Mario Draghi als EZB-Chef gehandelt. Wie beurteilen Sie seine Chancen?

Dombret: Das ist eine Diskussion, die viel zu früh kommt. Mario Draghi ist noch bis Oktober 2019 Präsident. Eine zu frühe Debatte ist auch unfair gegenüber dem Amtsinhaber.

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Die EZB ringt um ihren geldpolitischen Kurs.
Foto: Dpa/Arne Dedert

STANDARD: Die niedrigen Zinsen werden gerade in Deutschland als Enteignung der Sparer kritisiert.

Dombret: Die Debatte wird sehr einseitig geführt. Sparer empfinden niedrige Zinsen zwar als Problem, aber private wie öffentliche Kreditnehmer profitieren davon.

STANDARD: Droht wegen der lockeren Geldpolitik und dem damit verbundenen Anstieg der Immobilienpreise das Platzen einer Blase?

Dombret: In den großen deutschen Städten liegt die Überbewertung bei bis zu 35 Prozent. Das liegt nur zum Teil an den niedrigen Zinsen. Diese Entwicklung müssen wir genau beobachten. Wir stellen allerdings auch fest, dass die Standards für Bankkredite nicht verwässert wurden. Viel hängt davon ab, wie schnell und wie abrupt ein Zinsanstieg kommt.

STANDARD: Haben die Euroländer die Niedrigzinsen ausreichend genutzt, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen?

Name: Die Eurozone weist derzeit eine öffentliche Verschuldung von 89 Prozent des BIP aus. Wir waren in der Spitze sogar schon bei 94 Prozent. Die Richtung stimmt also, die Staatsschuldenquote ist aber immer noch hoch und in einigen Ländern auch bedenklich hoch. Der Rückenwind durch Niedrigzinsen wurde bislang nicht ausreichend genutzt.(Andreas Schnauder, 30.4.2018)