Ein Mann sitzt in Bratislava hinter seinem Verkaufstisch.

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Bratislava – Unmittelbar vor Inkrafttreten eines neuen Arbeitsgesetzes in der Slowakei warnt die deutsche Wirtschaft vor negativen Folgen für Investoren. Vom 1. Mai an müssen Arbeitgeber in dem EU-Land höhere Zuschläge für Nacht-, Feiertags- und Wochenendarbeit bezahlen.

Vor allem die Arbeitsplätze niedrig qualifizierter Arbeiter in strukturschwachen Regionen würden durch die Erhöhung etwa des Mindestlohns gefährdet, sagte der Geschäftsführer der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer (DSIHK), Guido Glania, der Deutschen Presse-Agentur in Bratislava.

Schon im November hatte die DSIHK Alarm geschlagen: "Die von der Regierung beabsichtigte dramatische Erhöhung der Mindestzuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit gefährdet den Industriestandort Slowakei. Einer der stärksten Vorteile, die flexible und relativ kostengünstige Einrichtung von Nacht- und Wochenendschichten, droht mit einem Schlag verloren zu gehen."

Deutschland ist wichtigster Investor

Die Slowakei gehörte mehr als zwei Jahrzehnte zu den Ländern, in die Firmen ihre Produktion wegen niedriger Löhne auslagerten. Deutschland war von Beginn an der wichtigste Investor und Handelspartner des EU-Landes.

Signalwirkung für die Erhöhung der Löhne hatte nach Einschätzung von Beobachtern auch der Streik der Beschäftigten von Volkswagen Slovakia im vergangenen Sommer. Dabei hatten erstmals slowakische Mitarbeiter eines großen westlichen Konzerns gegen den Status der Slowakei als Billiglohnland protestiert und deutliche Lohnerhöhungen durchgesetzt.

Glania gab zu bedenken, langfristig könne "das Produktivitätswachstum nicht mit den Lohnsteigerungen mithalten". Der DSIHK-Geschäftsführer kritisierte, die Unternehmen könnten die Politik der Regierung nicht mehr nachvollziehen. Diese hole ständig neue Investoren in die Slowakei und erhöhe damit den Facharbeitermangel und Lohndruck, verspreche aber gleichzeitig den Unternehmen, dass sie die benötigten Arbeitskräfte finden werden.

Kein Low-Cost-Standort

Weniger dramatisch beurteilen Vertreter des für die Slowakei ähnlich wichtigen Nachbarlandes Österreich die Situation. "Zentraleuropa wird langfristig nicht mehr in erster Linie ein Low-Cost-Standort sein, sondern zu einem Best-Cost-Standort werden müssen", sagte der österreichische Wirtschaftsdelegierte Christian Kügerl der dpa. "Die Slowakei hat sehr gute Chancen, weil sie anders als Tschechien, Polen oder Ungarn Mitglied der Eurozone ist."

Der für deutsche, österreichische und slowakische Firmen tätige Steuerberater Ulrich Paugger spielte die Auswirkungen der Gesetzesnovelle herunter: "Das ist doch reiner Populismus der slowakischen Regierung zur Beruhigung ihrer eigenen Wählerschaft. Für ganz wenige Geringstverdiener bringt das zwar wirklich mehr Geld, aber für die anderen sind die nun wirksam werdenden Zuschläge nur symbolisch." Grundsätzlich bleibe das Lohnniveau in der Slowakei mit Ausnahme von besonders gefragten Qualifikationen verlockend niedrig für ausländische Firmen.

Deutsche wie österreichische Wirtschaftsvertreter sind sich aber einig, dass der immer dramatischere Fachkräftemangel das allergrößte Problem in der Slowakei bleibe. Dies werde auch dadurch verschärft, dass sich ausländische Firmen gegenseitig Spezialisten abwerben. (dpa/Christoph Thanei, 30.4.2018)