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Amber Rudd trat am Sonntag zurück.

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Sajid Javid wird Rudd nachfolgen und wechselt vom Ministerium für Kommunen und Wohnungsbau ins Innenministerium.

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London – Sajid Javid wird neuer Innenminister Großbritanniens, wie die Regierung in London am Montag mitteilte. Er war für Kommunen und Wohnungsbau zuständig und hatte zuvor auch bei der Deutschen Bank gearbeitet. Seine Familie kam in den 1960er-Jahren aus Pakistan nach Großbritannien, sein Vater arbeitete in Bristol als Busfahrer.

Seine Vorgängerin Amber Rudd hatte Sonntagnacht die Konsequenzen aus dem "Windrush"-Skandal gezogen und war zurückgetreten. Zu Fall brachte sie die Aufregung um die Änderung der britischen Einwanderungsgesetze, die plötzlich Einwanderer aus der Karibik, die bereits seit Jahrzehnten im Land lebten, als "illegale Migranten" klassifizierte.

Hilfe beim Wiederaufbau

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zehntausende Menschen legal aus der Karibik nach Großbritannien und halfen beim Wiederaufbau des Landes – die "Windrush"-Generation, benannt nach dem Schiff Empire Windrush, das als eines der ersten die Menschen ins Land brachte. Als Bürger aus Staaten des Commonwealth, der Vereinigung aus Großbritannien und seinen ehemaligen Kolonien, hatten sie auch das britische Bürgerrecht.

Ab den 1960er-Jahren wurden die Gesetze laufend verschärft, 1973 wurde das automatische Bleiberecht für Commonwealth-Bürger schließlich abgeschafft. Wer schon im Land war, durfte bleiben. Viele forderten aber die entsprechenden Dokumente nicht an, machten ihren Status also nie offiziell. Geschätzt wird die Anzahl der Einwanderer aus der Karibik, die weder Pass noch Aufenthaltsgenehmigung haben, auf rund 50.000.

Verschärfte Prüfungen

Seit 2014 sind Vermieter, Gesundheitszentren und Arbeitgeber verpflichtet, den Migrationsstatus ihrer Kunden oder Bewerber zu überprüfen. Theresa May war damals Innenministerin und hatte bereits 2012 angekündigt, eine "feindliche Umgebung für illegale Migranten" schaffen zu wollen. Mays Nachfolgerin Amber Rudd versprach 2017, die Maßnahmen noch weiter zu verschärfen.

Weil sie nicht beweisen konnten, dass sie ein Bleiberecht haben, galten Angehörige der "Windrush"-Generation nun als "illegale Migranten". Ihnen wurden etwa Sozialleistungen verweigert, mit Abschiebung gedroht oder die Rückkehr nach Großbritannien verweigert, nachdem sie in der Karibik Verwandte besucht hatten.

Falsche Angaben vor Abgeordneten

In Bedrängnis kam Rudd zudem wegen ihrer Aussage vor einem Parlamentsausschuss vergangenen Mittwoch: Vor den Abgeordneten gab sie an, dass das Innenministerium keine Zielvorgaben für Abschiebungen von Einwanderern habe. "So arbeiten wir nicht", sagte Rudd.

"Wir haben keine Zielvorgaben für Abschiebungen", sagte Amber Rudd vor dem Parlamentsausschuss am Mittwoch. "Doch, haben Sie", erwiderte Labour-Politikerin Yvette Cooper.
Guardian News

Der "Guardian" veröffentlichte am Sonntag einen Brief von Rudd an Premierministerin May aus dem Jahr 2017, in dem sie durchaus konkrete Ziele anführte – nämlich die Erhöhung der Abschiebungen um zehn Prozent. In ihrem Rücktrittsschreiben gab Rudd zu, sie sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass Ziele erwähnt worden seien. "Darüber hätte ich Bescheid wissen müssen, und ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass ich es nicht war." Die Regierung entschuldigte sich und sagte den Betroffenen die britische Staatsbürgerschaft sowie Entschädigungen zu.

Es ist nicht der erste Rücktritt wegen eines Skandals im Kabinett Mays: Verteidigungsminister Michael Fallon und Vizeregierungschef Damian Green hatten nach Belästigungsvorwürfen ihre Posten aufgegeben. Entwicklungshilfeministerin Priti Patel trat zurück, weil sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen hatte. Auch James Brokenshire war – allerdings aus gesundheitlichen Gründen – von seinem Amt als Nordirland-Minister zurückgetreten. Er wird nun, wo es ihm wieder besser geht, Nachfolger Javids als Minister für Kommunen.

May als "Architektin der Krise"

Premierministerin May steht nach dem Rücktritt Rudds nun doppelt unter Druck: Einerseits wird ihr vorgeworfen, als Innenministerin mit dem Ziel der "feindlichen Umgebung für illegale Migranten" den Boden für den Windrush-Skandal bereitet zu haben. Die Labour-Politikerin Diane Abbott bezeichnete May etwa als "Architektin der Krise". Andererseits verliert sie im wichtigen Jahr der Brexit-Verhandlungen – und kurz vor Kommunalwahlen – eine ihrer engsten Verbündeten im Kabinett. Rudd gehörte zu den entschiedensten EU-Befürwortern in der Regierung. Ihr Nachfolger Javid hatte sich für den Verbleib in der EU eingesetzt, obwohl er "im Herzen" für den Brexit war. (maa, 30.4.2018)