Wien – Vielleicht wird aus der Geschichte von Willibald K. einmal ein Filmstoff. Das Leben von Frank Abagnale kam ja schließlich auch als "Catch Me If You Can" mit Leonardo DiCaprio in die Kinos. Und der US-amerikanische Hochstapler ist im Vergleich zum 62-jährigen Angeklagten eigentlich ein Anfänger – denn K. soll ein halbes Dutzend Frauen betrogen haben, während er im Gefängnis saß. Obwohl er weniger wie DiCaprio, sondern wie eine etwas elegantere Version von Karl-Heinz Ulrich aussieht, seines Zeichens Mitglied des Volksmusikduos Die Amigos.

Geld dürfte nicht K.s Hauptmotiv gewesen sein, es sieht eher so aus, als ob er sich gelangweilt hätte und gerne Menschen manipuliert. Über zwanzig einschlägige Vorstrafen hat der Angeklagte, seine derzeitige Haft in der Justizanstalt Graz-Karlau dauert bis 2029. Wobei es durchaus wahrscheinlich erscheint, dass ihm Richter Andreas Hautz noch ein paar Jahre extra verschafft.

Ärztlicher Hilfseinsatz in Kriegsgebieten

Der Fall hört sich tatsächlich fast unglaublich an. Mit in die Zelle geschmuggeltem Smartphone und SIM-Karten meldete sich K. auf einem Internet-Dating-Portal an. Einem seriösen. Da der Name "Willibald" und der Beruf "Häftling" offenbar die Paarungschancen beeinträchtigen, wählte er verschiedene Identitäten: Er trat als Elias, David, Jakob oder David Elias Rosen auf. Den Damen, die ihn kontaktierten, spielte er Menschenliebe vor. Er sei ein 39-jähriger Arzt, der für Ärzte ohne Grenzen oder die Weltgesundheitsorganisation WHO in den Kriegsgebieten Irak und Syrien Kinder operiere, gaukelte er den Frauen vor.

Zwei davon, 35 und 37 Jahre alt, sitzen als Beitragstäterinnen vor Gericht, ebenso K.s 21-jähriger Sohn, der dank der Malversationen seines Vaters gratis bei einem Opfer wohnen konnte, Taschengeld bekam und verpflegt wurde.

K. verweigert gegenüber Hautz vorerst die Aussage und beschwert sich, dass er sich nicht ausreichend auf den Prozess vorbereiten konnte, da ihm nicht alle relevanten Akten übermittelt worden seien. Dabei argumentiert K. derart wortreich und teils unzusammenhängend, dass ihm Hautz nach einigen Minuten "Pflanzen S' wen anderen" bescheidet.

Mitangeklagter Sohn hat Kontakt abgebrochen

Also beginnt der Richter mit der Vernehmung des Sohnes. Der wusste, dass sein Vater in Haft war – er telefonierte damals täglich mit ihm, verrät der Unbescholtene. Seit einem halben Jahr gebe es keinen Kontakt mehr. "Warum?", fragt Hautz. "Weil ich mir mein Leben nicht ruinieren will." Außerdem: "Ich weiß nicht, was ich meinem Vater glauben kann und was nicht."

Im Tatzeitraum habe er jedenfalls keine Wohnung gehabt, keinen Job, dafür aber Schulden und ein Betretungsverbot bei der Mutter. Er bekam vom Vater die Adresse einer Frau, die Hilfsarbeiten für ihn hatte und bei der er auch wohnen konnte. Die dachte, der Twen sei zunächst Neffe, später Sohn, ihres "David Rosen". Der junge Mann rechtfertigt sich vor Hautz damit, sein Vater habe ihn unter Druck gesetzt, und er habe keine anderen Möglichkeiten gesehen.

Die Drittangeklagte hat K. bereits 2014 kennen und lieben gelernt. Sie übernahm Gegenstände, Lebensmittel und Speisen, die die Viertangeklagte ihr nach Kärnten brachte. Tatsächlich wurde ein großer Teil davon in ihrer Wohnung sichergestellt, wirklichen Bereicherungsvorsatz dürfte die unbescholtene Angestellte keinen gehabt haben.

Elektronische Nachrichten von der "Oma"

Hautz ist dennoch misstrauisch. "Sie haben doch im September 2016 im Verfahren gegen Herrn K. als Zeugin ausgesagt. Da müssen Sie doch erkannt haben, dass er ein Betrüger ist. Und sie haben dennoch weitergemacht?" Die etwas überraschende Antwort der 37-Jährigen: Sie habe bereits damals gesagt, sie sei davon ausgegangen, die Gegenstände kämen von der "Oma" des Angeklagten, mit der sie in ständigem elektronischen Kontakt gestanden sei.

"Haben Sie die je kennengelernt?", will der Richter wissen. "Nein, es ist immer was dazwischengekommen. Dann ist wieder eine Nachricht gekommen, dass sie im Sterben liegt, dann ist es ihr wieder besser gegangen." K. stärkte ihr Vertrauen auch, indem er ihr die Teilaufhebung eines Urteils zeigte und erzählte, er sei wegen einer Steuersache in Haft. Wie es ihr jetzt geht? "Ich komm mir vor wie in einem schlechten Film."

An dieser Stelle mischt sich K. wieder ins Geschehen ein und betont, dass seine Großmutter noch lebe. Sie sei 103 Jahre alt und 80 Prozent der Zeit in Israel aufhältig. Er habe mit den Nachrichten an die Drittangeklagte jedenfalls nichts zu tun. "Die ist 103 Jahre und schreibt Whatsapp-Nachrichten?", ist Hautz ironisch beeindruckt.

Heiratsversprechen und Tiefkühltransporte

Die Viertangeklagte erzählt, sie sei die virtuelle "Oma" gewesen. Allerdings unwissentlich. Für sie war K. "Elias", ein gut aussehender, jung verwitweter Arzt, der ihr Heirat und Kindersegen versprach. Davor sollte sie aber noch den Kindern in Syrien helfen. Unter anderem, indem sie tiefgefrorene Speisen und Lebensmittel ins nächtliche Kärnten brachte und dort vor einer Tür abstellte.

"Er hat gesagt, dort wohnt jemand, der den Weitertransport koordiniert." – "Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen? Von wegen Kühlkette und so?", bohrt der Richter nach. "Ja", sagt die 35-Jährige unter Tränen. Aber K. habe bei jeder Nachfrage passende Antworten geliefert. Auch dafür, dass sie Geld auf ein Konto in der Justizanstalt Graz-Karlau überweisen solle, das auf Willibald K. lautete. "Er hat gesagt, dass ist das Gehaltskonto von einem Justizwachebeamten, der es ihm dann nach Syrien schickt."

Außerdem habe er sie gebeten, ein zweites Handy zu kaufen, um Nachrichten von ihm weiterzuleiten. Die der "Oma" nämlich. K. habe ihr erklärt, das seien codierte Nachrichten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich, damit die die Hilfslieferungen koordinieren können.

Duftlampe gegen Leichengeruch

Zeuginnen berichten von weiteren Wünschen. Einer Duftlampe etwa, um den Leichengeruch zu überdecken. Für seine angebliche zehnjährige Tochter wünschte er sich ein Dirndl Größe 36. "Er hat gesagt, das ist wegen dem Babyspeck, den sie noch verlieren muss", erinnert sich eine Geschädigte.

Bei der ein besonders pikantes Detail Erwähnung verdient: Die Frau erkannte das gestohlene Porträt, mit dem K. sein Kennenlernkonto schmückte, als das eines ehemaligen Arbeitskollegen. Eines Arztes. "Er hat dann geschrieben, das ist sein Cousin, und er wollte nicht sein eigenes Gesicht herzeigen, weil ihn dann keine Frau kontaktiert."

Aufgeflogen ist Herr K. dann, als er seinen Opfern drohte, ihre Aktbilder, die sie ihm geschickt hatten, zu veröffentlichen – eine der Frauen wandte sich daraufhin an die Polizei, die das Netzwerk aufrollte.

Um auf K.s Wunsch einzugehen, weitere Aktenbestandteile studieren zu können, vertagt Hautz schließlich auf den 4. Juni. (Michael Möseneder, 30.4.2018)