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Tarita Teriipaia und Marlon Brando bei den Dreharbeiten zu "Meuterei auf der Bounty" im Jahr 1962.

Foto: Ronald Grant Archive / Mary Evans / picturedesk.com

Tetiaroa – das sind zwölf Inseln mit 500 Hektar Land.

Foto: The Brando/Tim McKenna

Groß genug, um darauf ein Öko-Resort zu verstecken.

Foto: The Brando/Eric Martin

"The Brando": Der exklusivste Fleck Französisch-Polynesiens

Foto: The Brando/Tim McKenna

Leonardo DiCaprio und Johnny Depp erholten sich auf der Insel, Pippa Middleton und James Matthews feierten hier ihre Flitterwochen.

Foto: The Brando/Tim McKenna

Barack Obama zog sich nach seiner Präsidentschaft für einige Wochen dorthin zurück, um an seinen Memoiren zu schreiben.

Foto: The Brando/Tim McKenna

Marlon Brando wollte an einem Strand sterben, an eine Kokospalme gelehnt, den Blick auf den Pazifik gerichtet. Er wusste auch wo: auf Tetiaroa, 50 Kilometer nördlich von Tahiti, seinem Atoll, seinem Stück Paradies, seinem Traum von einer Insel. Er hat sich nicht erfüllt.

Dafür hat sein Traum einen Verwalter gefunden. Richard Bailey führt Tetiaroa als exklusives Urlaubsresort. Der 63-jährige Amerikaner hat die Anlage noch zu Brandos Lebzeiten bauen lassen – unter der ausdrücklichen Bedingung des Schauspielers, dass Tetiaroa nachhaltig funktionieren muss. Marlon Brando war vieles: Oscar-Preisträger, Frauenheld, Kontrollfreak – und Naturschützer.

Versteck für Vermögende

"Wenn ich abends an der Südspitze der Insel sitze", sagt Bailey, "die Überreste des Tages aufsauge, die Lagune vor mir sehe, vielleicht einige Wale, die am Horizont nach Luft schnappen, dann muss ich mich jedes Mal zwicken." Die Gäste, die neben ihm sitzen, an einem Glas Marlon’s Mojito nippen (mit Kokosnusswasser) oder einen polynesischen Salat mit Melonen, Ananas, getrockneten Tomaten und Kokosnussflocken essen, zwickt nix.

"The Brando" ist seit 2014 ein Versteck für Vermögende, 35 Villen verschwinden hinter Hecken und Palmen, es gibt einwandfrei funktionierendes Internet, eine Forschungsstation und eine 27 Quadratkilometer große Lagune mit tropischen Fischen. Leonardo DiCaprio und Johnny Depp erholten sich auf der Insel, Pippa Middleton und James Matthews feierten hier ihre Flitterwochen, und Barack Obama zog sich nach seiner Präsidentschaft für einige Wochen dorthin zurück, um an seinen Memoiren zu schreiben.

Machete in die Strohwand

Zehn Jahre nach Brandos Tod trafen die ersten Resortgäste auf der Landebahn der sechs Quadratkilometer großen Insel ein. 15 Jahre nach dem denkwürdigen Tag, an dem Bailey einen Anruf von Marlon Brando erhielt. 1966 hatte der Schauspieler Tetiaroa, ein Atoll aus zwölf kleinen Inseln, sogenannten Motus, auf 99 Jahre gepachtet. Auf einer von ihnen eröffnete er eine Bungalowanlage für Touristen. Bailey übernachtete dort in den 1980er-Jahren, um ein romantisches Wochenende mit seiner tahitianischen Frau zu verbringen. "Romantisch ja, komfortabel nein."

Die strohgedeckten Hütten waren stickig und dunkel. Ratten flitzten durch die Küche. Ein Journalist aus den USA besuchte Marlon Brando auf Tetiaroa und beschrieb, wie ein Angestellter die Hütte entlüftete, indem er mit einer Machete in die Strohwand schlug. Die Wirkung war phänomenal. Tausende Gelsen piesackten den Gast nun völlig ungestört. Die Los Angeles Times urteilte, das Hotel sei der "eleganteste Slum" der Südsee.

Authentische Mahnmale

Jetzt ist es der exklusivste Fleck Französisch-Polynesiens. Wer heute aus der Hauptstadt Papeete kommend nach 20 Minuten mit dem Kleinflugzeug landet, sieht die versteckten Villen, die Batterie von Solarpaneelen am Pistenrand und dahinter die schwarzen Vulkansteine für den Feuerlauf. Die wurden extra für DiCaprio zusammengesammelt, der das traditionelle Ritual ausprobieren wollte.

Nördlich der Startbahn stehen noch einige der alten Hütten. Mahnmale an eine Zeit ohne Komfort. Für die einen eine Zumutung, für die anderen ein Lebensgefühl. "Authentisch" seien die, sagt Tumi Brando, eine Enkelin des Stars. "Grandpa, nicht Marlon, nicht Brando", liebte es einfach. Die 30-Jährige hat die ersten drei Lebensjahre auf Tetiaroa verbracht, danach ist sie immer wieder auf Besuch hergekommen. Jetzt ist sie das einzige Familienmitglied, das noch auf der Insel arbeitet.

Kolossaler Preis

Tumi Brando sah die Bulldozer, die den Boden für die Fundamente aufrissen, und war skeptisch. Heute hat sie mit dem blitzsauberen Resort Frieden geschlossen. Auch weil sich die millionenschweren Gäste bereitwillig die Kläranlage, Mülltrennung und den richtigen Sonnenschutz erklären lassen. Bitte keine herkömmlichen Cremes verwenden, warnt der französische Concierge. Die Inhaltsstoffe bleichen die Korallenriffe aus. Also empfiehlt er das hauseigene Produkt. Frontalunterricht trotz Luxus.

Und es gibt vieles, was hergezeigt werden muss, um den kolossalen Preis (3.000 Euro pro Nacht) zu rechtfertigen, etwa die Salzwasserpumpe, die kaltes Meerwasser aus 936 Meter Tiefe hebt und für die Klimaanlage nutzt. Die Ratten und Mücken sind verschwunden dank eines Vernichtungsfeldzugs von Wissenschaftern der Universität von Tahiti. The Brando ist kuratierte Natur mit viel Instagram-Potenzial.

Eine Rolle veränderte alles

Die Verlockung, in diesem Teil der Welt zu bleiben, war auch für die Seeleute des englischen Segelschiffs Bounty so groß, dass sie 1789 eine Meuterei gegen ihren sadistischen Kapitän anzettelten und sich mit polynesischen Frauen auf unbewohnte Inseln zurückzogen. Die Verfilmung in Meuterei auf der Bounty war es schließlich, die Marlon Brando 1960 zum ersten Mal nach Tahiti verschlug.

Im Film spielt er den Offizier Christian Fletcher. Dabei gelang es ihm als erstem Hollywood-Schauspieler, eine Gage von einer Million Dollar auszuhandeln. Für das Studio wurde die Produktion ein Flop, für Brando der Beginn eines neuen Lebens. In Tahiti heiratete er seine Leinwandpartnerin Terita Teriipaia, die 20 Jahre jünger als er war und die Großmutter von Tumi Brando ist. Sie lebt nach wie vor auf Tahiti, "sehr zurückgezogen", wie die Enkelin sagt.

Rückzug vom Rückzugsort

Vermutlich hält die alte Dame wenig von ihrem Ex-Gatten, wie man ihrer Autobiografie entnehmen kann. Ihr erstes Treffen in einem Hotelzimmer endete damit, dass sie einander mit Gegenständen bewarfen. Danach seien Affären mit anderen Frauen und Gewaltandrohungen auf der Tagesordnung gewesen. Christian Brando, Sohn aus erster Ehe, hat 1990 den Freund seiner Halbschwester Cheyenne in Brandos Villa in Los Angeles erschossen. Der Vater des Getöteten, ein Politiker aus Tahiti, drohte Brando, ihn strafrechtlich verfolgen zu lassen, sollte er je wieder tahitianischen Boden betreten. Und so zog sich Marlon Brando von seinem Rückzugsort zurück.

Das alte Hotel schloss in den 90er-Jahren, auf der Insel lebten nur noch Tumi und ihre Eltern. Den Großvater sahen sie einmal im Jahr in Los Angeles. Sie wohnten in der Villa am Mulholland Drive, besuchten Opas Freunde in anderen Villen, "wo alles größer und glänzender war". Natürlich erzählte man sich die alten Geschichten. Wie der Opa einst die halbblinde alte Dame, die auf jeden Neuankömmling mit einer Flinte schoss, bekniete, ihm Tetiaroa zu verkaufen. Sie tat es nur unter der Bedingung, dass er die Natur intakt halte. Denn Tetiaroa war jahrhundertelang Ausflugsziel für die Chefclans aus Tahiti, ein Feriendomizil für die Oberschicht – also gar nicht so viel anders als heute.

Tumi Brando mag den Wind, wenn er über Tetiaroa peitscht, sie liebt die Seevögel, die in der Luft ihre Manöver fliegen. Sie ist froh, dass die Mermaid Bay an der Ostseite noch genauso unbebaut ist und grünblau schimmert wie in ihren Schulferien. Für sie hat sich der Traum von ihrer Insel erhalten. Für Marlon Brando hat er sich nicht erfüllt. Er starb 2004 auf einer Intensivstation in Los Angeles, 14 Jahre nachdem er Tetiaroa das letzte Mal betreten hatte. (Ulf Lippitz, 4.5.2018)