Doris Knecht macht sich in dieser Woche Gedanken über das individuelle Schönheitsempfinden. Ihre Erkenntnis: Stark ist das neue Dünn und Fit das neue Schlank.

Foto: Irina Gavrich

Start der Badesaison, und das Wort Bikinifigur quillt aus allen Gazetten. Das lässt auch diese Kolumne nicht unberührt. Eh hängt unser Wohlbefinden nicht nur mit Fitness und Gesundheit, sondern auch damit zusammen, wie attraktiv wir uns finden. Plus, wir sind moderne, medienaffine Menschen, wir wissen Bescheid über die Fremdbestimmtheit unseres Schönheitsempfindens.

Warum tragen Frauen High Heels, obwohl alles an ihnen aua ist und man damit, wie uns Melania Trump und Brigitte Macron unlängst peinvoll vorexerzierten, auf Rasen nach hinten kippt? Das übliche Argument: Weil ich mich damit gut fühle, weil es mir gefällt. Ja. Bloß ist das, was uns gefällt, halt eine Tochter der Zeit, ein Bastard der Bilder, der Idealisierung und Propagierung einer vermeintlich perfekten Körperform. Manipuliertes Schönheitsgefühl, Gehirnwäsche bei 90 Grad, mit Vorwäsche – alles bekannt.

Dieses Wissen hilft leider nur bedingt bei der Entwicklung eines individuellen Schönheitsempfindens, das dem eigenen Körperbau, dem angeborenen Stoffwechsel, den eigenen Lebensumständen entspricht. Auch wenn die dummen, alten Ideale langsam vom Bewusstsein abgelöst werden, dass nicht alle Frauen dieselbe Figur haben können und haben sollen: Body-Positivity.

Hadern mit Konventionen

Amy Schumers neuer Film, "I feel pretty," läuft in unseren Kinos noch nicht; in den USA wird er heftig und kontroversiell diskutiert: Eine junge Frau hadert damit, dass sie nicht den konventionellen Schönheitsdidealen entspricht. Sie fällt vom Soul-Cycle-Trainingsgerät und auf den Kopf, glaubt fortan, sie sehe aus wie ein Supermodel und verhält sich auch so. Was natürlich witzig und gesellschaftskritisch gleichzeitig sein soll, die Kritik aber gar nicht überzeugte: Offenbar rutscht der Film ständig auf den Klischees aus, die er hinterfragen möchte.

Immerhin wird das Ideal des peinvoll abgehungerten, unglücklichen Körpers endlich von gesünderen und abwechslungsreicheren Körperbildern abgelöst, wie etwa jenem der lässigen Yogabloggerin Jessamyn Stanley. Es passiert in Babyschritten und durchaus auch über die Installation neuer, mitunter fragwürdiger Maxime: Stark ist das neue Dünn, Fit ist das neue Schlank, Muskulös ist das neue Mager – und bunte, hässliche Dad-Sneakers mit dicken Sohlen sind die neuen High Heels.

Wir können also endlich damit aufhören, uns diesen "Fasson"-Magazin-Körper zurechtzuhungern, was sowieso nie funktioniert, sondern lieber etwas für den Körper tun, den wir haben. Vielleicht auch ein bisschen mehr aus ihm machen: Das nächste Mal testen wir Langhantelkrafttraining für Frauen und trainieren ihm ein paar ordentliche Muskeln an. Machen sich auch im Bikini gut. (Doris Knecht, RONDO, 7.5.2018)

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