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Pro
von Christoph Winder

Wieder einmal ein Triumph des Fortschritts! Früher erging es den Alten so, dass sie im Lauf der Jahre vertrockneten und mit fünfzig aussahen wie Dörräpfel, Mumien oder Charles Bronson. Wie das?

Sehr einfach: Das von allerlei Verfallsprozessen affizierte Greisenhirn hatte vergessen, dass es einer steten Zufuhr von Wasser bedurft hätte, um dem Verdorren zu entgehen und jugendfrisch zu bleiben.

Zwei Liter Wasser soll man täglich hinter die Binde gießen, und neuerdings tut man dies auch, weil man konstant von einer App darauf hingewiesen wird, dass es wieder einmal Zeit zum Zechen ist. "Nudge" nennen die Verhaltensökonomen solche Anstöße zum klugen Verhalten.

Ich habe noch keinen Trink-Reminder, nehme aber an, dass man es sich selber aussuchen kann, mit welcher Formulierung man von der App zum Piperln genudgt wird. "Trink, trink, Brüderlein trink" wäre ganz charmant. Der Genudgte muss sich lediglich im Klaren sein, dass er Wasser – nicht Bier oder Wein – trinken sollte. Sonst könnte der Trink-Reminder recht schnell der Lebergesundheit abträglich werden.

Kontra
von Franziska Zoidl

Mein Handy will etwas von mir. Schon wieder. Dass ich mehr Speicherplatz schaffe, zum Beispiel. Dass ich ein Softwareupdate durchführe. Dass ich mal wieder entspanne und Yoga mache.

Seit kurzem auch, dass ich mehr trinke. Wasser, wohlgemerkt. Ständig schickt es mir Erinnerungen daran. Dabei laufe ich nicht den Death-Valley-Marathon und drohe zu dehydrieren, sondern sitze im Büro.

Aber wer zu wenig trinkt, kann sich schwer konzentrieren, heißt es. Das ließe sich zwar durch ein paar Schlucke verhindern, sobald die Kehle trocken wird. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, lagert den Durst an die App aus. Einzig die Wasserflasche muss man sich noch selbst anfüllen, dann kann getrost auf Anweisungen aus dem Silicon Valley gewartet werden.

Dabei haben Forscher herausgefunden, dass unser Flüssigkeitsbedarf geringer ist als geglaubt – und individueller. Wenn mein Handy mich also wieder einmal ans Trinken erinnert, mache ich es so, wie bei den anderen Anweisungen: Ich ignoriere sie.

Gegen den Durst hilft das nicht. Aber es entspannt ungemein. (RONDO, 25.7.2018)