Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht alles, was glänzt, ist gut: Den Fahrtenvermittler Uber können und wollen sich viele Konsumenten nicht mehr wegdenken. Für Uber zu fahren grenzt zumindest in den USA oft an Selbstausbeutung.

Foto: AP / Gene J. Puskar

Tim steigt zu André ins Auto, es ist 7.30 Uhr in der Früh. Jeden Tag muss er 16 Kilometer zurücklegen, um an seinen Arbeitsplatz bei der Federal Trade Commission in Washington, D.C. zu kommen. Anstatt sich selbst hinters Steuer zu setzen, benutzt der Ökonom heute aber lieber Uber Pool und fährt gemeinsam mit anderen Menschen Richtung Stadtzentrum.

13 Dollar (10,70 Euro) kostet ihn die Fahrt und vierzig Minuten seiner Lebenszeit statt der eineinhalb Stunden in den Öffis. Zusätzlich kann er sich im Auto schon auf den Arbeitstag vorbereiten, erste E-Mails beantworten und seine Gedanken sortieren.

Für viele Bewohner in und um Washington ist der Griff zur Uber-App am Frühstückstisch zum Fixpunkt geworden. Fahrbetriebe wie Uber und Lyft sind aus dem Pendelalltag nicht mehr wegzudenken. Die Nutzung hat sich seit 2015 vervierfacht – aus verständlichen Gründen. Für eine kurze Fahrt in die Arbeit sieben Dollar zu zahlen und vor der Haustüre abgeholt zu werden ist nur unwesentlich teurer, als auf den überfüllten, verspäteten Bus zu warten, der an jedem Häuserblock stehenbleibt. Hinzu kommt, dass zumindest in Washington für jedes öffentliche Verkehrsmittel extra gezahlt werden muss, günstige Jahres- oder Monatstickets gibt es nicht. Wer also von Bus auf U-Bahn umsteigen muss, zahlt bald sechs Dollar für das Pendeln.

Politik reagiert

In Washington versucht die Stadtregierung nun auf diesen Trend zu reagieren, denn die Zahl der Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln ist in den letzten Jahren sichtbar zurückgegangen. Während vor neun Jahren noch 750.000 U-Bahn-Tickets unter der Woche gelöst wurden, sind es derzeit nur mehr 615.000.

Washingtons Buslinien verzeichnen seit Jahren Passagierrückgänge. Die Schuld dafür wurde lange Zeit hauptsächlich bei der Washington Metropolitan Area Transit Authority (kurz Metro) und deren unzuverlässigem Service gesucht. Nur sehr langsam hat die Stadtverwaltung verstanden, dass Uber das schwach ausgebildete öffentliche Verkehrsnetz zum eigenen Vorteil nutzt. Uber vermarktet seine Fahrer als Zusatzangebot zu den Öffis, doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. 1,9 Millionen Menschen nutzen Uber in und um Washington: 42.000 Fahrer sind derzeit jeden Monat aktiv unterwegs. Fast 200.000 Fahrzeuge sind registriert, was zeigt, dass viele Fahrer die App nur unregelmäßig für zusätzliches Einkommen nutzen.

Zuverdienstmöglichkeit

André ist einer davon. Im eigentlichen Brotberuf ist er TV-Produzent für Fernsehserien. Seine Arbeitszeiten sind allerdings stark von Aufträgen abhängig.

"Für mich ist Uber eine willkommene Gelegenheit, um in meiner freien Zeit Geld zu verdienen. Außerdem erlaubt es dieser Gig, dass ich in der Nähe meines Sohnes sein kann", erzählt André. "Uber ist nicht so schrecklich, wie jeder behauptet", fügt er nach einer kurzen Pause noch hinzu, so als müsste er sich für seine Entscheidung verteidigen.

Mehr Geld für Öffis

Die Sharing Economy ist für viele Fahrer ein willkommener Anreiz, billig Geld dazuzuverdienen. Andere wiederum sind vollständig vom Einkommen durch Uber abhängig, beginnen ihre Schichten um drei Uhr früh, wenn die Straßen noch leer sind, und verbringen täglich zwölf Stunden im Auto, um möglichst viele Fahrgäste zu transportieren und Prämien ausbezahlt zu bekommen. Der amerikanische Traum von einem besseren Leben – er wird im 21. Jahrhundert von übermüdeten Uber-Fahrern artikuliert.

So beliebt Uber bei seinen Konsumenten ist – der Erfolg liegt zu einem großen Teil in der Ausbeutung der Fahrer begründet, die selbstständig sind und keine Sicherheit in Bezug auf das von Algorithmen beeinflusste Einkommen haben. "Viele haben zwar das Gefühl, gutes Geld zu machen, aber verdienen letztlich weniger als den Mindeststundenlohn", sagt Katie Wells, Professorin an der George-Washington-Universität, im National Public Radio.

Taxibetreiber spüren die Folgen

Taxis waren die ersten Leidtragenden der Uber-Revolution in Washington. Der Einbruch bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel stellt jedoch auch zunehmend die Rolle öffentlicher Güter infrage. Einen ersten Rettungsversuch hat die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Browser, diesen April unternommen. In Zukunft sollen Uber-Fahrer nicht mehr nur mit einem Prozent, sondern mit 4,75 Prozent besteuert werden. Das Geld soll direkt für die Instandhaltung des öffentlichen Verkehrs genutzt werden. Insgesamt zehn Prozent soll Uber jedes Jahr zum Öffi-Budget der Stadt beisteuern. Die neue Regelung, die mit 2019 in Kraft tritt, wird Uber-Fahrten also verteuern.

An Tims Gewohnheiten wird das dennoch nichts ändern. Für ihn haben seine täglichen Fahrten mit Uber einen zusätzlichen Wert: "Das Tolle an Uber sind die interessanten Menschen, die man trifft. Ich habe schon so viele spannende Diskussionen erlebt. Im Bus oder in der U-Bahn würde das nie passieren", sagt er. (Teresa Eder, 1.5.2018)

Taxi vs. Uber: Wie die Fahrer die Situation in Wien erleben.
DER STANDARD