Klaus Leistner will die Hand für den zurückgetretenen IBU-Präsidenten Besseberg nicht ins Feuer legen.

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STANDARD: Wie genau gestaltet sich derzeit die Situation im Biathlon-Weltverband? Es heißt, nach dem Rücktritt von IBU-Präsident Anders Besseberg wären Sie nun der leitende Vizepräsident?

Leistner: Das stimmt nur bedingt. Ich bin kein amtsführender Präsident, ich bin auch nicht der interimistische Präsident. Ich bin einer von acht Vizepräsidenten. Ich bin auch nicht derjenige, der für Kommunikation zuständig ist. Ich bin für Finanzen zuständig.

STANDARD: Laut dem interimistischen IBU-Generalsekretär Martin Kuchenmeister sollen Sie, weil Sie es vergleichsweise nicht weit haben, beim Ablauf im Büro in Salzburg helfen.

Leistner: Dort war ich noch gar nicht. Aber wenn meine Hilfe gefragt ist, helfe ich gerne. Ich bin auch derzeit sehr damit beschäftigt, einen ordentlichen Jahresabschluss zu machen. Das macht viel Arbeit. Seit 2006 bin ich in der IBU für Finanzen zuständig, ich mache das ehrenamtlich. Alle vier Jahre wird gewählt.

STANDARD: Wie sehr haben Sie die Ermittlungen überrascht, die mit Hausdurchsuchungen unter anderem im IBU-Büro einhergingen?

Leistner: Ich war total überrascht. Ich will das auch nicht näher beurteilen. Es handelt sich um ein laufendes Verfahren, in dem freilich nicht gegen die IBU selbst, sondern gegen einzelne Personen ermittelt wird.

STANDARD: Wie gut kennen Sie den zurückgetretenen Präsidenten Besseberg? Können Sie sich die Ermittlungen gegen ihn erklären?

Leistner: Ich kenne Besseberg schon deshalb sehr lange, weil er seit der Gründung der IBU 1993 deren Präsident ist. Er war immer ein militanter Dopinggegner. Was ihm jetzt vorgeworfen wird, passt nicht zu dem Bild, das man von ihm hat. Man soll nie sagen, dass etwas auszuschließen ist. Dass ich meine Hand nicht ins Feuer lege, ist aber prinzipiell unabhängig von Personen.

STANDARD: In welcher Form könnten Dopingfälle in der IBU vertuscht worden sein?

Leistner: Wissen Sie, das ist für mich schwer vorstellbar, dass das passiert sein könnte. Das Wissen über Dopingfälle ist ja kein elitäres Wissen, das nur Einzelpersonen haben konnten, sondern ein kommissionelles Wissen. Und was Kontrollen angeht, so machen ja die Labors die Regeln, nicht die Büros. Ich habe ein Problem damit, zu glauben, dass es sich um ein exklusives Wissen Einzelner gehandelt haben könnte. Aber für unmöglich halte ich nichts.

STANDARD: Laut Staatsanwaltschaft betrifft der Tatzeitraum vornehmlich die Biathlon-WM 2017, die in Hochfilzen stattgefunden hat. Was bedeutet das?

Leistner: Es bedeutet nicht, dass die Veranstaltung selbst mit den Vorwürfen zu tun hat.

STANDARD: Könnte es bedeuten, dass Sportlerinnen und Sportler bei dieser WM an den Start gingen, die nicht an den Start gehen hätten dürfen?

Leistner: So würde ich das auch verstanden haben.

STANDARD: War es von der IBU klug, die Biathlon-WM 2021 im Jahr 2016, als der russische Staatsdopingskandal auf dem Höhepunkt war, ausgerechnet an die russische Stadt Tjumen zu vergeben?

Leistner: Dazu habe ich ja auch gelesen, die Vorstandsmitglieder hätten massiv in die Wahl eingegriffen und da wären Gelder geflossen. Das ist ein völliger Unsinn. Die Vorstandsmitglieder stimmen bei der Vergabe nicht einmal mit, da stimmen die Verbände der einzelnen Nationen ab. Später hat ja dann auch der russische Verband diese WM wieder zurückgelegt, das halte ich auch für vernünftig.

STANDARD: Im Herbst wird ein neuer IBU-Vorstand gewählt, Besseberg will nicht mehr antreten. Treten Sie noch einmal an?

Leistner: Das weiß ich noch nicht. Die Frist für Kandidaturen endet am 7. oder 8. Juni. Derzeit bin ich gerade damit beschäftigt, einen ordentlichen Jahresabschluss zu machen. Das bedeutet viel Arbeit, auch wenn es nur ehrenamtliche Arbeit ist.

STANDARD: Wie will und kann die IBU den erlittenen Imageschaden ausbügeln, wie sieht das Krisenmanagement aus?

Leistner: Die Antidopingabteilung im Verband hat keine schlechte Arbeit geleistet, aber sie muss sicher gestärkt werden. Biathlon ist ein toller Sport, eine einfach verständliche Geschichte, die viele Menschen fasziniert. Die IBU hat gute Formate entwickelt, sich um den Nachwuchs bemüht. Umso bedauerlicher ist es, wenn solche Irritationen auftreten. Wir kooperieren natürlich bestmöglich mit den Behörden. Die IBU hat größtes Interesse an bestmöglicher Aufklärung, wir wollen es erfahren, wenn es vielleicht irgendwo ein Fehlverhalten gegeben hat. (Fritz Neumann, 2.5.2018)