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Das vielgescholtene System Hartz IV hat laut einer Studie Vorteile bei Arbeitsanreizen.

Foto: Dpa/Sina Schuldt

Hartz IV, das viel gescholtene System der Grundsicherung in Deutschland, wurde wieder einmal einer Untersuchung unterzogen. Im Unterschied zu den vielfach kritischen Evaluierungen der Vergangenheit lobt eine aktuelle Analyse des Wirtschaftspolitischen Zentrums (WPZ) viele von Hartz IV ausgehende Effekte, kritisiert aber gleichzeitig zu geringe Anreize für die Annahme von Beschäftigung. Dieses Manko wird auch bei der österreichischen Mindestsicherung konstatiert.

Das WPZ an der Universität St. Gallen in der Schweiz wird vom österreichischen Nationalökonomen Christian Keuschnigg geleitet, der früher Leiter des Instituts für Höhere Studien in Wien war. Durchgeführt wurde der aktuelle Report von Ronnie Schöb, der beim WPZ und an der Freien Universität Berlin lehrt.

Die zwei Seiten des Niedriglohnsektors

Die Untersuchung relativiert Studien, wonach Hartz IV zwar die Beschäftigung erhöht, aber gleichzeitig den Niedriglohnsektor vergrößert habe. Der Tenor anderer Analysen: Seit in der Grundsicherung nur noch so wenig bezahlt wird, bleibt den Leuten keine Alternative, als Minijobs anzunehmen. Die Zahlen: Von 2005, als Hartz IV in Kraft trat, wuchs der Anteil von Niedriglohnbeziehern von 17,5 Prozent auf 18,9 Prozent im Jahr 2016. Als Niedriglohnbezieher werden jene Beschäftigten eingestuft, die über weniger als zwei Drittel des Medianeinkommens verfügen.

Zum Vergleich: Der Anteil der schlecht bezahlten Personen liegt in Österreich um drei Prozentpunkte unter dem deutschen Niveau. Problematisch wäre es für Schöb nur, wenn die Entlohnung bereits Beschäftigter unter die Niedriglohnschwelle abrutschen würde. In Deutschland sieht der Studienautor hingegen eine "erfolgreiche Beschäftigungspolitik", weil die hohe Niedriglohnquote eine Folge der Rückkehr von früher Arbeitslosen in einen Job sei.

Wenig Anreize für Mehrarbeit

Als Beleg zieht das WPZ eine Berechnung heran, bei der Arbeitslose und Niedriglohnbezieher addiert betrachtet werden. Deren Quote sank seit 2005 von 26,6 Prozent auf 22,2 Prozent. Gleichzeitig stieg dieser Anteil in Österreich um einen halben Prozentpunkt, heißt es in der Studie.

Nicht allzu gut schneiden Hartz IV und Mindestsicherung in Österreich ab, wenn die Arbeitsanreize betrachtet werden. Zuverdienstgrenzen und Steuern sorgen dafür, dass ab gewissen Grenzen Mehrarbeit zu keinem höheren Einkommen führt. In Deutschland kann ein Haushalt ab 1500 Euro nichts dazuverdienen. Der Anreiz zu arbeiten, sei daher "sehr gering". In Österreich sind die Zuverdienstmöglichkeiten noch deutlich geringer, so das WPZ. Auch eine Studie des IHS hat hier Defizite geortet.

Die Kritik an der "Armutsfalle Hartz IV" teilt es nicht, die Staatshilfen für Mehrkindfamilien reichten bis 2250 Euro, das Einkommen könne mit Zuverdienst noch weiter aufgebessert werden. (Andreas Schnauder, 2.5.2018)