Neu-Delhi – Mehrere Sexualverbrechen gegen Kinder erschüttern derzeit Indien – nun will der Oberste Gerichtshof des Landes für schnellere Gerechtigkeit sorgen. Er wies am Dienstag die obersten Gerichte der Unionsstaaten des Landes an, Verfahren wegen Kindesmissbrauchs voranzutreiben, wie Alakh Alok Srivastav, Anwalt am Obersten Gerichtshof, auf Anfrage mitteilte. Er hatte einen entsprechenden Antrag gestellt.

Nach zusammengetragenen Zahlen der untergeordneten Gerichte gebe es in Indien mehr als 110.000 unabgeschlossene Verfahren wegen solcher Straftaten, sagte Srivastav. Die indische Justiz arbeitet notorisch langsam.

20 Jahre Rückstau an Verfahren

Die Kinderstiftung des Friedensnobelpreisträgers Kailash Satyarthi hatte zwei Wochen zuvor einen Bericht vorgelegt, demzufolge es rund 20 Jahre dauern würde, den gesamten Rückstau an unabgeschlossenen Verfahren wegen Kindesmissbrauchs im Land aufzuarbeiten – und das auch nur, wenn keine neuen Fälle hinzukämen.

Ein sechs Jahre altes Mädchen war am Sonntag im ostindischen Staat Odisha gestorben – gut eine Woche, nachdem es vergewaltigt worden war. Das Kind war nach Angaben der Polizei am 21. April in seiner Schule mit Verletzungen an Kopf und Unterleib sowie Würgespuren am Hals ohnmächtig gefunden worden.

Ein 23-jähriger Tatverdächtiger wurde festgenommen. Er soll das Mädchen in die Schule gelockt haben, als es abends in einem Geschäft Kekse kaufen wollte. Dort soll er das Opfer vergewaltigt und zu erdrosseln versucht haben.

Weitere Sexualmorde erschüttern Indien

Indische Medien berichteten am Dienstag von zwei weiteren mutmaßlichen Sexualmorden an Kindern. Es hatte in den vergangenen Wochen in mehreren Städten Proteste wegen Sexualverbrechen gegen Minderjährige gegeben. Entsetzen hatte besonders der Fall eines achtjährigen Mädchens ausgelöst, das in der Himalaya-Region Jammu entführt, von mehreren Männern tagelang vergewaltigt und schließlich umgebracht worden war.

Die Proteste richteten sich auch gegen radikale Hindus, darunter Politiker der Regierungspartei BJP, die die Freilassung der acht Tatverdächtigen – allesamt Hindus – gefordert hatten. Diese hatten der Polizei zufolge mit dem Verbrechen eine Gemeinde muslimischer Nomaden, der das Mädchen angehörte, aus der Gegend vertreiben wollen.

Sondereinheiten werden gebildet

Spezielle Richterkomitees in den Unionsstaaten sollen auf Anweisung des Obersten Gerichtshofs die Beschleunigung der Verfahren beaufsichtigen, wie Srivastav weiter berichtete. In jedem Staat sollen zudem Sondereinheiten gebildet werden, um Ermittlungen bei Sexualstraftaten gegen Kinder zu begleiten und Zeugen zu beschützen.

Die Regierung hatte am 21. April eine Verordnung erlassen, die die Vergewaltigung von Mädchen unter zwölf Jahren unter Todesstrafe stellt. Nach den jüngsten offiziellen Statistiken wurden 2016 in Indien 19.765 Vergewaltigungen von Minderjährigen erfasst. Die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle stammt der Täter aus dem Umfeld des Opfers. (APA, 1.5.2018)