In Hamburg wird bereits mit viereinhalb Jahren das Sprachlevel eines Kindes festgestellt.

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Wien – Das Hamburger Modell ist eines, an dem sich Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei seinem Gesetzesentwurf für die Einführung separater Deutschklassen orientieren wollte. Jetzt, nach der Begutachtung, wurde zwar dahingehend adaptiert, dass nur mehr Neueinsteiger, also Schulanfänger und ältere Kinder, die gerade erst nach Österreich gekommen sind, bei Sprachdefiziten in einer Deutschklasse landen. Und zwar, wenn mindestens acht (statt ursprünglich sechs) Schüler davon betroffen sind, für 15 Stunden pro Woche in der Volksschule, für 20 Stunden pro Woche in der Sekundarstufe 1.

Vom Hamburger Modell unterscheidet sich das, was in Österreich ab Herbst Realität werden soll, trotzdem deutlich. Eine, die das genau beurteilen kann, ist Ursula Neumann. Die Erziehungswissenschafterin war viele Jahre an der Universität Hamburg für den Bereich "Interkulturelle Bildung" zuständig und bis 2002 Ausländerbeauftragte der Hansestadt. Im Gespräch mit dem STANDARD skizziert sie das dortige Modell: Auch in Hamburg wolle man "möglichst sicherstellen, dass Kinder, wenn sie ins erste Schuljahr kommen, bereits gut Deutsch können". Dafür müssen sie im Alter von viereinhalb Jahren bereits an der Schule vorgestellt werden. Wer beim Beobachtungsverfahren auffällt, muss verpflichtend an einer Fördermaßnahme teilnehmen.

Wer mit Schuleintritt immer noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat, erhält weiterhin Förderunterricht (und die Schule dafür zusätzliche Lehrerstunden); in welcher Weise das geschieht, bestimmt die Schule selbst.

"Internationale Vorbereitungsklassen"

Die "internationalen Vorbereitungsklassen", die sich die heimische Politik zum Vorbild nehmen wollte, sind nur für Kinder gedacht, die aus dem Ausland nach Hamburg ziehen. Ab der dritten Klasse Volksschule folgt man hier einem eigenen Lehrplan, der Wechsel in die Regelklasse kann bei entsprechendem Lernfortschritt jederzeit erfolgen. Nebenbei gibt es – vor und nach der Schule, manchmal auch parallel – zusätzlichen Förderunterricht.

Dass ein Kind aus der Vorbereitungsklasse kommend ein ganzes Schuljahr wiederholen muss, wie in Österreich geplant, ist in Hamburg nur mit Zustimmung der Eltern möglich. Zusätzlich setzen die Hamburger auf sogenannte "Basisklassen" für jene Kinder, die in ihrem Herkunftsland noch nicht lesen und schreiben gelernt haben oder in einer anderen Schrift alphabetisiert wurden.

Standardisierte Auswahltests "gibt es nicht"

Am österreichischen Weg gefällt der Expertin die befristete Separierung für maximal zwei Jahre. Wichtig sei jedoch eine gute Mischung aus "integrierter und additiver Förderung", also Lernunterstützung innerhalb und außerhalb der bestehenden Regelklasse. Neumann: "Man müsste mehr unterscheiden zwischen dem, was wichtig ist für Kinder, die neu in Österreich sind und noch nie Berührung mit dem Deutschen hatten, und jenen, die mehrsprachig aufwachsen und deshalb vielleicht Förderbedarf haben." Während für Erstere Extraklassen vorübergehend hilfreich seien könnten, sei für Letzere eine solche Segregation schlecht.

Dass die Auswahl der Kinder, die in separaten Klassen Deutsch lernen sollen, mit standardisierten Testverfahren erfolgen soll, gefällt der Wissenschafterin. Allerdings: "Die gibt es nicht. Und dafür braucht es eine mindestens zehnjährige Entwicklungszeit." (Karin Riss, 3.5.2018)