Wien – Ist es strafbar, unter falschem Namen einen Asylantrag zu stellen, ein falsches Heimatland zu nennen und sich 14 Jahre jünger zu machen? Die etwas überraschende Antwort erhält man im Prozess gegen Victor N.: Es ist zumindest keine "unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen" nach dem Fremdenpolizeigesetz, wie Richterin Magdalena Krausam urteilt.

Der 38-jährige Nigerianer ist im August 2012 nach Österreich gekommen. In der Erstaufnahmestelle Traiskirchen erzählte er damals, er sei 1993 geboren, stamme aus Liberia und heiße Victor Matt. "Warum haben Sie das gemacht?", will Krausam wissen. "Mein Leben war in Gefahr!", beteuert der Angeklagte.

Neue Identität aus Angst vor Bande

"Ich wurde in Nigeria von Verbrechern bedroht, die haben drei Menschen getötet. Einen davon sogar, nachdem er nach Südafrika geflüchtet ist!" Daher habe er sich eine neue Identität zulegen müssen, um sich zu schützen. "Glauben Sie, dass der Staat Österreich darauf angewiesen ist, dass Asylwerber korrekte Angaben machen?", will die Richterin von ihm wissen. "Weiß ich nicht", lautet die Antwort.

Seinen derzeitigen aufenthaltsrechtlichen Status kennt er nicht, ein Mitarbeiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl verrät ihm: Das Asylverfahren wurde im Sommer 2013 rechtskräftig negativ abgeschlossen, jenes bezüglich subsidiärem Schutz vor einem Jahr negativ. Unter seinem richtigen Namen hat N. einen weiteren Antrag gestellt, er hat mittlerweile in Italien geheiratet und ist Vater eines sechs Monate alten Sohnes.

Wien will über 33.000 Euro retour

In einem ersten Verfahren wurde der Unbescholtene noch verurteilt, da das Oberlandesgericht Wien das Urteil aufgehoben hat, muss Krausam nun Beamte und Mitarbeiter der Betreuungseinrichtungen als Zeugen befragen. Dabei stellt sich heraus, dass N. nie aktiv auf Sozialleistungen wie Unterkunft, Krankenversicherung oder 40 Euro monatliches Taschengeld gepocht hat. Sowie er Teil des Systems war, bekam er das alles automatisch – insgesamt will die Stadt Wien über 33.000 Euro von ihm zurück.

Das Geld wird sie auf dem Zivilrechtsweg einklagen müssen, denn Krausam spricht N. nicht rechtskräftig frei. Reines Entgegennehmen von Leistungen erfülle den Straftatbestand nicht, die falschen Angaben haben auch nicht dazu geführt, dass er andere oder mehr Leistungen als mit seiner wahren Identität bekommen habe, wie Zeugen bestätigen. (Michael Möseneder, 3.5.2018)