Eleanor (Sarah Hostettler) und Karl Marx (Mario Adorf).

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"Ein Mann ohne Bart ist doch kein Mann", sagt der Barbier in Algier und schlägt dem alten Herren im Sessel den Wunsch aus, seinem Santa-Claus-Wildwuchs ein Ende zu bereiten. Der Herr im Sessel ist niemand Geringerer als Karl Marx, Philosoph, Ökonom, Weltgeist und Schreckgespenst für die besitzende Klasse. In Nordafrika erholt sich der Autor des Kapitals von seinen Altersschwächen.

Hinter ihm liegt ein strapaziöses Leben: die Flucht vor politischer Verfolgung, das Dahinvegetieren am Rand des Existenzminimums und die quälende Ansicht, recht zu haben, aber kaum recht zu bekommen.

Am 5. Mai jährt sich der Geburtstag des Denkers aus dem deutschen Trier zum 200. Mal. Ein Berg an Büchern erscheint aus diesem Anlass, schließlich soll ja auch der Meister selbst gut 1500 gelesen haben. Zu erfahren ist das u. a. in der Arte-Spielfilmdoku Karl Marx – Der deutsche Prophet, sie ist bis 27. Mai online auf Arte.tv zu sehen.

Der Film hält sich über weite Strecken an Berichte der Marx-Tochter Eleanor und zeichnet so neben dem politischen Sturkopf, der die Lehre vom unreformierbar an sich selbst zugrunde gehenden Kapitalismus für absolut ansah, weiters ein Bild des Familienmenschen Marx: ein liebevoller Opa, der mit dem Enkel auf dem Buckel durchs Wohnzimmer kriecht.

Das hilft, am gestrengen Zerrbild, das Marxisten nach Marx (der ja meinte, kein Marxist zu sein) schufen, zu rütteln. Erhellende Kommentare kommen u. a. von vier Biografen. Als "Philosoph der Freiheit", meint einer, hätte Marx nicht viel unterschrieben, was nach 1917 in seinem Namen passiert ist.

Eine gut gemachte Doku zum Einstieg. Wer es genau wissen will, wird doch zum einen oder anderen Buch greifen müssen. (Stefan Weiss, 3.5.2018)