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Psychisch Kranke werden stigmatisiert – so lautete die Kritik am bayerischen Psychiatriegesetz. Viel wichtiger sei es, den Menschen zu helfen.

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Um klare Worte war Markus Söder als CSU-Generalsekretär und auch als bayerischer Finanzminister noch nie verlegen. Doch seit 16. März ist der 51-Jährige Ministerpräsident von Bayern, und da muss er nun in einer heiklen Angelegenheit sanftere Töne anschlagen.

"Wir wollen niemanden stigmatisieren und nehmen die Bedenken ernst", sagt er über die Kritik am geplanten Psychiatrie-Gesetz, das er noch von seinem Vorgänger, Horst Seehofer (CSU), geerbt hat. Doch eines ist schon klar: Das Gesetz wird in der Form, wie es die CSU geplant hat, nicht kommen.

Kein interner Nachdenkprozess

Allerdings ist der Meinungsschwenk in der CSU-Alleinregierung nicht das Ergebnis eines internen Nachdenkprozesses. Vielmehr war die Kritik von Verbänden, der Opposition sowie Bürgerinnen und Bürgern so massiv, dass die CSU zum Umdenken gezwungen wurde.

"Die allermeisten psychisch kranken Menschen sind weder gefährlich noch Straftäter. Wir erleben in Bayern gerade, wie durch ein scheinbar wohlwollendes Gesetz psychisch Kranke unter Generalverdacht gestellt werden", heißt es in einer Onlinepetition, die in den vergangenen Tagen mehr als 106.000 Menschen unterzeichnet haben.

Kranke brauchen Hilfe

Und weiter: "Psychisch kranke Menschen brauchen Hilfe, jemanden, dem sie vertrauen können, nicht die Angst im Nacken, weil jemand meint, man wäre auffällig, weggesperrt zu werden." Initiiert haben die Petition der Autor Uwe Hauck, der über seine Depressionen schreibt, und Kristina Wilms, die eine Selbsthilfe-App für psychisch Kranke entwickelt hat.

Mehr Hilfe – das sah der Entwurf zum Gesetz mit der sperrigen Abkürzung PsychKHG zwar schon vor. Geplant waren mehr Krisendienste, was von Fachleuten auch gelobt wurde. Doch für Empörung hatte eine neue "Unterbringungsdatei" gesorgt. In dieser – so der Plan – werden künftig fünf Jahre lang die Daten von Patienten gespeichert, inklusive Diagnose. Die Polizei hätte darauf Zugriff haben und auch bei der Entlassung der Patienten informiert werden sollen.

"Unethisch und menschenunwürdig"

Deutliche Worte dazu kamen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): Ein solches Vorgehen sei "unethisch und menschenunwürdig und als ein Rückschritt für eine moderne, rechtsstaatliche Gesellschaft" zu betrachten. Die Grünen erklärten, diese Absicht erinnere "fatal" an die vor 30 Jahren geplante Registrierung von HIV-Kranken.

Nun soll die Polizei nur noch informiert werden, wenn Menschen aus der Psychiatrie entlassen werden, die als gefährlich gelten und die zuvor durch Zwangseinweisung aufgenommen worden waren. Keine Benachrichtigung gibt es, wenn jemand sich selbst eingewiesen hat. Auch der Verweis auf den Maßregelvollzug soll gestrichen werden. Hier hatten Kritiker eine unzulässige Gleichsetzung von psychisch Kranken mit Straftätern beklagt – inklusive Einschränkung von Besuch oder Überwachung von Telefonaten.

Kritik an Polizeigesetz

Das Psychiatrie-Gesetz ist aber nicht das einzige, gegen das es in Bayern Widerstand gibt. Für Kritik sorgt auch das geplante neue Polizeiaufgabengesetz, das die CSU-Abgeordneten mir ihrer absoluten Mehrheit am 15. Mai im Landtag beschließen wollen.

Es erlaubt der Polizei, früher einzugreifen. Bisher darf sie bei "konkreter Gefahr" tätig werden, wenn also die Pläne für eine schwere Straftat schon sehr weit fortgeschritten sind. Bald aber, so Innenminister Joachim Herrmann (CSU), soll schon eine "drohende Gefahr" ausreichen.

Auch dann soll die Polizei Post abfangen und E-Mails, Telefone sowie Handys überwachen dürfen. Der Innenminister will ihr auch die Möglichkeit geben, leichter DNA-Spuren auszuwerten und Gesichtserkennungssoftware bei Videoüberwachung zu nutzen.

"Da kommt unsere ganze Sicherheitsarchitektur in eine Schräglage hinein. Das bedeutet am Ende, dass die Freiheit von jedem in Gefahr ist" , sagt SPD-Landeschefin Natascha Kohnen. Doch in diesem Fall will die CSU hart bleiben. Im Gegensatz zum Psychiatriegesetz soll es keine Änderungen mehr geben. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.5.2018)