Hier liegt kein Felsbrocken im Wasser, sondern ein korrodierendes Stück Kriegsmunition.
Foto: Christian Howe, www.h2owe.de

Kiel – Von einer "tickenden Zeitbombe" zu sprechen, würde sich anbieten – dafür müssten allerdings die Auswirkungen klarer sein: Das Erbe einer ganzen Reihe von Kriegen liegt noch immer auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee. Die möglichen ökologischen Auswirkungen sind jedoch weitgehend unbekannt, berichtet das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Man hat sich bisher schlicht und einfach nicht darum gekümmert.

Die Küstengewässer von Nord- und Ostsee sind mit brisanten Relikten aus den Kriegen des 20. Jahrhunderts übersät, ob Seeminen, Luftbomben, Torpedoköpfe oder Granaten. Mehr als eine Million Tonnen intakter und korrodierender Munition liegen dort am Meeresboden, schätzen die Forscher. Teils handle es sich um regelrechte Haufen, wenn Material nach einem Krieg absichtlich entsorgt wurden. Teils sei die Munition weit verstreut – wie sie eben während der Kriegszeit versenkt wurde oder verloren ging.

Globales Problem

Und das sind nur diese beiden (wohlerforschten) Meere. Laut einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift "Frontiers in Marine Science" veröffentlicht wurde, gilt dies aber auch für andere Weltregionen. "Es handelt sich tatsächlich um ein globales Problem, da Küstenregionen fast aller Kontinente von Unterwassermunition betroffen sind", sagt Hauptautor Aaron Beck vom Helmholtz-Zentrum.

Doch wie ist das einzuschätzen? "Obwohl das Problem der Munition im Meer weltweit verbreitet ist, hat es bislang überraschend wenig Aufmerksamkeit erhalten. Oft wird nach dem Motto verfahren 'Aus den Augen, aus dem Sinn'. Dabei gibt es immer wieder Unglücksfälle mit Fischern oder mit Spaziergängern am Strand", sagt Beck.

Unfreiwillige Kontakte werden zunehmen

In vielen Fällen seien weder der genaue Ort noch die Identität oder der Zustand von Unterwassermunition bekannt. Gleichzeitig nimmt der Schiffsverkehr zu und die Zahl der Pipelines, Offshore-Windparks oder auch Aquakulturanlagen steigt. Es werde also immer dringlicher, mehr Informationen über Munition im Meer zu sammeln und sie zu beseitigen.

Ein großer Teil der Altmunition liegt bereits seit mehr als 70 Jahren im Wasser. Daher zeigen viele Metallgehäuse mittlerweile starke Korrosion. Beschädigungen sorgen dafür, dass der Sprengstoff im Inneren freiliegt und Chemikalien an das umgebende Wasser abgeben kann. Explosive Verbindungen sind zwar nur schlecht in Wasser löslich, aber sie enthalten giftige und krebserregende Chemikalien.

"Mammutaufgabe"

"Die Freisetzung und das weitere Schicksal dieser Chemikalien sind noch nicht gut verstanden", sagt Beck, "aber genau diese Prozesse sind entscheidend für eine Abschätzung, wie Altmunition die Meeresökosysteme beeinflussen kann." Weitergehende Studien sollen Wissenslücken wenigstens auf lokaler bis regionaler Ebene schließen.

Doch selbst das wäre nur ein erster Schritt, betont Koautor Eric Achterberg: "Das Ziel muss letztendlich sein, die Munition irgendwann auch zu beseitigen. Und das ist eine Mammutaufgabe." (red, 5. 5. 2018)