Seit 27. April ist die Alkoholverbotszone in Kraft.

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Nicht ganz eine Woche ist die Alkoholverbotsverordnung auf dem Wiener Praterstern nun in Kraft. "Das Konsumverbot wirkt", schildert Elisabeth Odelga-Öcker, Leiterin Mobile Soziale Arbeit im öffentlichen Raum der Suchthilfe Wien, erste Beobachtungen. "Wir treffen deutlich weniger Klienten an", sagt die Sozialarbeiterin, und sie gibt eine grobe Schätzung von minus 50 Prozent ab.

Seitens der Suchthilfe Wien funktioniert das Prinzip "Aus den Augen aus dem Sinn" jedoch nicht, es greife zu kurz. Mittelfristig würden die Betroffenen an anderen Stellen auftauchen. "Hier geht es nicht um Problemlösung, sondern um eine Verschiebung, die Menschen bleiben alkoholsüchtig." An eine Verlagerung der Obdachlosenszene an einen neuen zentralen Ort glaubt Odelga-Öcker nicht. Vielmehr prognostiziert sie im STANDARD-Gespräch, dass mehrere Orte betroffen sein werden, die für die Sozialarbeiter nur schwer im Blick zu behalten sein werden: "Die Obdachlosen werden nicht gesammelt als Gruppe woanders auftauchen."

Praterstraße und Kaiserwiese

Zu Spitzenzeiten waren auf dem Praterstern 100 bis 120 Personen zugegen, gegen die sich das Alkoholverbot richtet. Genauso gut gab es aber auch Tage, an denen die Zahl der Betroffenen unter 30 lag.

Mehrere Teams von SAM (Mobile soziale Arbeit) sind seit Inkrafttreten des Alkoholverbots am 27. April im Einsatz, um mögliche Verdrängungseffekte zu eruieren. Julius-Tandler-Platz, Josefstädter Straße, Bahnhof Floridsdorf, Hauptbahnhof, Philadelphiabrücke – an all den potenziellen Orten, die von einer Verdrängung betroffen sein könnten, seien jedoch keine Auffälligkeiten festzustellen.

Kleinere Gruppen wurden in der Praterstraße in Richtung Nestroyplatz gesehen. Doch auch hier ist Odelga-Öcker noch vorsichtig, war die Praterstraße bisher noch kein Einsatzgebiet von SAM. Dadurch habe man keine Vergleichswerte. Die Kaiserwiese vor dem Riesenrad wurde von der Verbotszone ausgenommen – aufgrund der Feierlichkeiten zum ersten Mai kann aber auch für diesen Ort noch keine seriöse Angabe über einen möglichen Verdrängungseffekt gemacht werden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Suchthilfe kritisieren, dass es bei der Verhängung des Alkoholverbots am Praterstern keine Zeit für Begleitmaßnahmen gab. Anders als beim Karlsplatz, wo bis zum Umbau 2010 die Drogenszene zugegen war, sei kein Sozialarbeitskonzept erarbeitet worden.

Alternativen für Drogenkranke

Beim Karlsplatz seien sozialmedizinische Angebote geschaffen worden, Ressourcen wurden lockergemacht, um den Drogenkranken Alternativen zu bieten. So sei etwa das Tageszentrum Tabeno-Süd errichtet worden, etwa um Spritzentausch zu ermöglichen. Auch sei die Zahl der Sozialarbeiter aufgestockt worden – nicht allerdings beim Praterstern.

Doch auch für den Verkehrsknotenpunkt im zweiten Wiener Gemeindebezirk hatte die Suchthilfe Wien Vorschläge. Odelga-Öcker beschreibt die Idee eines Zentrums für sozialmedizinsche Akutversorgung, die in der Nähe des Pratersterns hätte eröffnet werden können. Sie sieht dieses Zentrum als niederschwellige Einrichtung zur Konsumstabilisierung. Ein Schwerpunkt dabei müsse auch sein, die Rückkehr ins Heimatland zu besprechen, da die meisten von Alkoholsucht betroffenen Obdachlosen am Praterstern von jeglichen Sozialleistungen in Österreich ausgeschlossen sind.

Odelga-Öcker ist nicht allein mit ihrer Forderung nach einem sozialmedizinischen Tageszentrum. Wie berichtet, gibt es eine Studie des Beirats für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien aus dem Jahr 2017, in der Auswirkungen und Lösungsansätze in Sachen Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum für mehrere Städte verglichen worden sind. Nahegelegt wird darin auch, den Alkoholkonsum in einigen Tageszentren für Obdachlose zu ermöglichen, um sie von der Straße wegzubekommen. Darüber hinaus wird auch in der Studie vor Verdrängungseffekten gewarnt. Häufig mussten die Verbotszonen aufgrund der Verlagerungen schrittweise erweitert werden. Als problematisch erwies sich die räumliche Nähe von Alkoholverkaufsstellen.

Gastronomiebetriebe dürfen übrigens auch auf dem Praterstern im Bahnhofsgebäude weiterhin Alkohol verkaufen.

Polizei-Bilanz Ende des Monats

Die Polizei will erst Ende Mai Bilanz ziehen. Eine Verordnung wie jene auf dem Praterstern benötige eine Zeit der Beobachtung. Erst nach einem Monat könne Auskunft darüber gegeben werden, wie sich das Alkoholverbot auswirkt. (Rosa Winkler-Hermaden, 3.5.2018)

Seit vergangenem Freitag gilt ein Alkoholverbot am Wiener Praterstern. DER STANDARD hat Gastronomen und Anrainer dazu befragt.
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