Die nächste Umpolung des Erdmagnetfelds kommt bestimmt, noch ist es aber nicht so weit, sagen Forscher.
Foto: NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization

Wien – Anders als Bienen, Haie oder Zugvögel orientieren wir Menschen uns zwar nicht am Erdmagnetfeld. Doch auch wir verdanken ihm unser Überleben: Es schirmt uns vor tödlicher Strahlung aus dem Weltall ab, insbesondere vor dem Strom geladener Teilchen des Sonnenwinds. Doch der Schutzschild unseres Planeten ist nicht wirklich stabil: Die globale Stärke des Erdmagnetfelds nimmt seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1840 um etwa fünf Prozent pro Jahrhundert ab.

Seither hat sich über dem südlichen Atlantik eine Schwächezone gebildet, in der erhöhte Strahlungsaktivität feststellbar ist. Forscher nennen dieses Phänomen "südatlantische Anomalie" und sind uneins, ob es sich dabei um Vorzeichen einer magnetischen Polumkehr handelt.

Blick zurück

Ein Team um Maxwell Brown und Monika Korte vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam gibt nun im Fachblatt "PNAS" vorläufig Entwarnung: Das Ergebnis einer geohistorischen Analyse spricht gegen die Annahme eines bevorstehenden Polsprungs. Demnach traten in den vergangenen 50.000 Jahren mindestens zweimal vergleichbare Anomalien über dem Südatlantik auf, das Erdmagnetfeld erholte sich jedoch wieder, ein Polsprung blieb aus. Phasen einer kurzfristigen tatsächlichen Polumkehr folgten einem deutlich anderen Muster.

Aus erdgeschichtlicher Perspektive handelt es sich bei Polsprüngen um kein seltenes Phänomen, im Durchschnitt kehrt sich das Erdmagnetfeld alle 250.000 Jahre um. Die letzte anhaltende Umkehr fand vor rund 780.000 Jahren statt und ging rasant vonstatten – innerhalb höchstens eines Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund und angesichts der zunehmenden südatlantischen Anomalie warnten Forscher in den vergangenen Jahren immer wieder, dass ein neuerlicher Polsprung schon in den kommenden Jahrzehnten bevorstehen könnte.

Zwar folgen einem solchen Ereignis stets Phasen langer Stabilität, doch der Prozess geht zunächst mit sehr geringen Feldstärken einher, die Erde ist also deutlich höheren Dosen kosmischer und solarer Strahlung ausgesetzt. Wissenschafter rechnen dabei nicht nur etwa mit Störungen der Kommunikationstechnologie, sondern auch mit einem massiven Anstieg an Krebserkrankungen. Manche Paläontologen spekulieren sogar damit, dass mehrere knapp aufeinanderfolgende Umpolungen des Erdmagnetfelds vor rund 550 Millionen Jahren ein gewaltiges Massenaussterben und die nachfolgende kambrische Artenexplosion ausgelöst haben.

Erholung erwartet

Für ihre Studie rekonstruierten Korte und Kollegen nun Änderungen des Erdmagnetfelds im Zeitraum vor 50.000 bis 30.000 Jahren. Dazu nutzten sie Daten aus Sedimentbohrkernen und vulkanischem Gestein, die magnetische Minerale enthalten, die wiederum Aufschluss über Ausrichtung und Stärke des Erdmagnetfelds zur Zeit ihrer Bildung geben.

Das Ergebnis: Vor rund 46.000 und 49.000 Jahren bildete das Erdmagnetfeld über dem Südatlantik ähnliche Schwächezonen aus wie heute. Doch in beiden Fällen verschwand die Anomalie nach geraumer Zeit wieder. Vor 41.000 Jahren ereignete sich hingegen eine kurzfristige Umpolung, die aber nur einige Jahrhunderte anhielt und daher nicht als Polsprung gilt, sondern als magnetische Exkursion.

Diesem Ereignis ging ein deutlich anderes Entwicklungsmuster voraus als das heute beobachtbare, sagt Korte: "Aus unserer Betrachtung der vergangenen 50.000 Jahre schließen wir, dass die heutige südatlantische Anomalie nicht als Beginn einer Feldumkehr gedeutet werden kann." (David Rennert, 2.5.2018)