Seit zwei Monaten sitzen zwei griechische Grenzsoldaten in türkischer Haft. In Thessaloniki wird für ihre Freilassung demonstriert.

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Musa Aleriks Dienstfahrt endete auf dem Amtsgericht des griechischen Provinzstädtchens Orestiada, nahe der Grenze zur Türkei. Fünf Monate Gefängnis und 1500 Euro Geldstrafe fasste er aus. Der türkische Bauarbeiter hatte bei seiner Anhörung am Donnerstag gleich reinen Tisch gemacht. Zehn Meter weit soll der Angestellte der Stadtverwaltung von Edirne am Vortag bei Baggerarbeiten auf griechisches Territorium abgekommen sein. Eine Lappalie in früheren Zeiten, meist noch vor Ort schnell geregelt. Heute ist es ein großes Politikum. Das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei ist so gespannt wie seit Jahren nicht mehr.

Die Haftstrafe setzte der Richter in Orestiada auf Bewährung aus. Der 38-jährige Arbeiter war am Donnerstag, 24 Stunden nach seiner Festnahme, schon wieder auf dem Nachhauseweg. Aleriks Bagger beschlagnahmte das Gericht allerdings. Das konnte sich die griechische Seite nicht verkneifen. Die Freilassung des türkischen Arbeiters sollte aber ein politisches Signal an die Regierung in Ankara sein, endlich einzulenken: Zwei Monate bereits hält die Justiz zwei griechische Grenzsoldaten in einem Gefängnis in Edirne in U-Haft.

Spionagevorwürfe

Die Anschuldigungen schwanken zwischen illegalem Übertritt und Spionage. Die Mobiltelefone der beiden Soldaten sollen einer gründlichen Untersuchung unterzogen worden sein. Ob die türkischen Experten dort anderes gefunden haben als Familienfotos und Bilder von Grillnachmittagen, ist nicht bekannt. 20 Meter weit sollen sich die zwei Männer Anfang März bei einer Patrouille auf türkisches Gebiet verlaufen haben. Alexis Tsipras nennt sie "Geiseln der türkischen Regierung". Denn Ankara will acht Soldaten zurückhaben, die nach dem Putsch 2016 nach Griechenland geflüchtet waren.

Der griechische Ministerpräsident befand sich am Donnerstag auf einer Reise in der Nordägäis. Limnos und Lesbos standen auf seinem Programm. Beides hat mit der Türkei zu tun. Auf Limnos besuchte Tsipras eine Einheit der griechischen Luftstreitkräfte, die auf der Insel stationiert ist. Am vergangenen Wochenende erst hatte die linksgeführte Regierung die Modernisierung von 85 F-16-Kampfjets beschlossen. Mehr als eine Milliarde Euro wird das finanzschwache Griechenland dieses Rüstungsgeschäft mit den USA kosten. Die Regierung hält es für unabdingbar. Griechenland müsse versuchen, das militärische Gleichgewicht gegenüber der Türkei wiederherzustellen, so heißt es. Dabei ist die Türkei eigentlich ein Nato-Verbündeter.

Die Insel Limnos zählt zudem zu den vielen Streitpunkten in der Ägäis zwischen beiden Ländern. Limnos liegt rund 60 Kilometer vor den Dardanellen, dem Eingang zum Marmarameer. Im Vertrag von Lausanne 1923 war die Demilitarisierung der Insel festgelegt worden; im Zuge der Montreux-Konvention einige Jahre später betrachtete Athen die Demilitarisierung für aufgehoben. Ankara bestreitet das heute.

An das Flüchtlingsabkommen mit der EU vom März 2016 hält sich die türkische Regierung wiederum trotz gegenteiliger Ankündigungen weiter. Allerdings gibt es weiterhin auch keine Rückführungen abgewiesener Asylwerber von den griechischen Ägäisinseln zur türkischen Küste in nennenswertem Umfang. Auf Lesbos, wo Tsipras am Donnerstagnachmittag eintraf, führte das zu Rekordständen von derzeit knapp 9000 Flüchtlingen.

Geschäftsinhaber in der Inselhauptstadt Mytilini schlossen am Donnerstag aus Protest gegen Tsipras' Besuch. Dem linken Premier wie der EU überhaupt werfen sie ein Missmanagement der Flüchtlingskrise vor. Weil Lesbos – ebenso wie vor allem Samos und Chios – zur Gefangeneninsel geworden ist, bricht das Tourismusgeschäft absehbar nun den vierten Sommer in Folge ein. Einen Gerichtsentscheid zur Freizügigkeit der Inselflüchtlinge kippte der neue Chef der Asylbehörde. (Markus Bernath aus Athen, 3.5.2018)