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Muharrem İncesoll türkischer Präsident werden – zumindest wenn es nach der oppositionellen CHP geht.

Foto: Reuters / Umit Bektas

Ankara – Die sozialdemokratisch-kemalistische türkische Oppositionspartei CHP schickt Muharrem İnce ins Rennen gegen Präsident Tayyip Erdoğan. Der Abgeordnete aus Yalova wurde am Freitag von der CHP-Fraktion als Kandidat für die Präsidentenwahl am 24. Juni nominiert, verkündete Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu bei einer Kundgebung in einer Sporthalle in Ankara.

Der frühere CHP-Fraktionsvize İnce gilt als feuriger Redner und scharfer Kritiker Erdoğans. Er zeigte sich nach seiner Nominierung zuversichtlich. "Mit dem Segen Gottes und dem Willen der Nation werde ich am 24. Juni zum Präsidenten gewählt", sagte der säkulare Politiker auf der Bühne vor tausenden jubelnden Anhängern der traditionsreichen Partei.

Beim Nominierungsparteitag am Freitag kündigte er an, im Fall seiner Wahl zum Präsidenten den alten Amtssitz in Ankaras Regierungsviertel Cankaya zu beziehen. Vor jubelnden Anhängern gab er dabei seinen Plan für einen Umbau des 1.150 Zimmer großen, 2014 errichteten Präsidentenpalasts von Erdoğan an: "Was mache ich aus dem Palast? Den Palast übergebe ich den schlauesten Kindern dieses Landes. Ich mache ihn zur Bildungsstätte."

Traditioneller Kemalist

İnce hatte im September 2014 und erneut im Jänner Kılıçdaroğlu herausgefordert, war ihm aber im Kampf um den Parteivorsitz unterlegen. Der frühere Physiklehrer gilt in der Partei als Verfechter eines streng kemalistischen Kurses. In der Diskussion über die Aufstellung von Ex-Präsident Abdullah Gül als Oppositionskandidat sagte İnce aber, er würde sogar eher für Erdoğan als für Gül stimmen.

Gewaltenteilung in Gefahr

İnce, der am Freitag seinen 54. Geburtstag feierte, versprach, ein "unparteiischer Präsident" für alle 80 Millionen türkischen Bürger sein zu wollen. In einem symbolischen Schritt ersetzte er das Parteiabzeichen, das er an seinem Revers trug, mit einem Anstecker mit der türkischen Flagge.

CHP-Anhänger skandierten bei dem Nominierungsparteitag "Präsident İnce" und buhten Erdoğan aus. Parteichef Kılıçdaroğlu kritisierte, unter Erdoğan sei die Gewaltenteilung abgeschafft worden. Die Pressefreiheit sei am Ende, die Demokratie in Gefahr.

Lob für den Gegner

Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft, sollte Erdoğan die Wahl gewinnen. Mit der zeitgleichen Parlaments- und Präsidentenwahl am 24. Juni soll der Umbau zu dem von Erdoğan angestrebten Präsidialsystem abgeschlossen werden. Der Präsident ist dann Staats- und Regierungschef.

Kılıçdaroğlu lobte Ince: "Wir wollen eine Allianz, um die Polarisierung in diesem Land zu beenden", erklärte er. Die CHP wolle, dass alle Menschen in der Türkei miteinander "im Frieden leben" können. (APA, 4.5.2018)