Wie kaum ein Oppositionsführer vor ihm hat sich Jeremy Corbyn in den englischen Kommunalwahlkampf geworfen. Höchstselbst führte der Labour-Vorsitzende seine enthusiastischen jungen Gefolgsleute in die Schlacht um Kommunalvertretungen in London und anderswo, wo die alte Arbeiterpartei teilweise seit Jahrzehnten keinen Stich mehr gemacht hatte.

Am Freitagmorgen gab es lange Gesichter. Die Arbeiterpartei hatte kaum Mandate hinzugewonnen und keines der angepeilten Rathäuser erobert. Die heillos zerstrittenen Torys unter der mediokren Premierministerin Theresa May glichen ihre Verluste aus, indem sie Stimmen der EU-feindlichen Ukip absaugten. Die kleinen Liberaldemokraten holten sich mit einer klaren Absage an den Brexit den Londoner Bezirk Richmond.

Den Brexit versäumt

Gewiss geht es in der Kommunalpolitik vor allem um Schlaglöcher, Mülltonnen und Einbrüche. Aber das zukünftige Verhältnis zu Europa bleibt das überragende Thema britischer Politik. In Corbyns Wahlkampfansprachen war davon nicht einmal die Rede. Das stellt sich als Versäumnis heraus.

Nach Corbyns überraschend gutem Abschneiden im vergangenen Jahr glaubten viele aus der altlinken Riege um den EU-skeptischen Veteranen, die Macht werde ihnen früher oder später in den Schoß fallen. Angesichts der Lähmung in Mays Regierung könnte dieser Fall noch immer eintreten. Das enttäuschende Abschneiden vom Donnerstag hat ihn aber unwahrscheinlicher gemacht. (Sebastian Borger, 4.5.2018)