Die Flut an hochkarätigen Fußballereignissen bringt es mit sich, dass die Erregung über vermeintliche oder tatsächliche schiedsrichterliche Fehlleistungen einer immer geringeren Halbwertszeit unterliegt. Nur noch in die Folklore der jeweiligen Anhängerschaft gehen die Fehlpfiffe ein.

Tifosi der Roma werden noch in Jahrzehnten wissen wollen, dass ihre Mannschaft gegen den FC Liverpool verschaukelt wurde, damals, Anfang Mai 2018, im Halbfinale der Champions League. Und dem etwas kleineren Anhang von Red Bull Salzburg wird noch lange die Grausbirn aufsteigen, wenn er sich der Pfeifen entsinnt, die gegen Marseille doch ganz gewiss das Finale der Europa League kosteten.

Fußball ohne die Erörterung diskussionswürdiger Szenen ist nur das halbe Vergnügen. Deshalb aber auf eine gewisse Objektivierung zu verzichten ist fahrlässig, zumal im Videobeweis längst ein probates Mittel zur Hand ist. Dass das aufwendige Verfahren nicht in jedem Spiel einsetzbar ist, versteht sich von selbst, dass darauf bei wichtigen Partien noch immer verzichtet wird, ist nicht einzusehen.

Zögerlichkeit wird weder den fehlbaren Entscheidungsträgern noch dem immer rasanteren Geschehen auf dem Platz gerecht. Dass der Video Assistant Referee in Russland sein WM-Debüt gibt, lässt den Chor der Kassandren schon von zerfahrenen, ihrer gewohnten Dramaturgie beraubten Spielen singen. Was zu beweisen wäre. (Sigi Lützow, 4.5.2018)