Der Mord an Journalist Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová erschütterte die Slowakei.

Foto: APA / AFP / Vladimir Simicek

Bratislava – Die Slowakei rätselt über ein angebliches Video des Mörders des Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová. Die Aufnahme solle beweisen, dass der Täter wiederholt im Haus seiner Opfer war. Das würde die Version eines Auftragsmordes, die bisher als am wahrscheinlichsten galt, völlig über den Haufen werfen, berichtete die slowakische Tageszeitung "Pravda" am Freitag.

Auf die angebliche Existenz eines derartigen Videos hatte am Vortag das tschechische Blatt "Mladá Fronta dnes" unter Berufung auf das slowakische Nachrichtenportal aktuality.sk hingewiesen, für das Kuciak zuletzt gearbeitet hatte. In der Slowakei blieb der Hinweis aber zunächst unbemerkt.

Gesicht nicht zu sehen

Seit dem Mord habe sich im Land vieles verändert, die Ermittlungen in dem Fall hätten sich aber nicht wesentlich nach vorne bewegt, beklagte das Nachrichtenportal. "Wir wissen nur, dass die Polizei eine Kameraaufzeichnung hat, auf der der mutmaßliche Mörder zu sehen ist. Und dass er vermutlich mehrmals hintereinander im Haus des Journalisten und seiner Verlobten war. Auf der Aufnahme ist allerdings sein Gesicht nicht zu sehen, daher wird seine Identifizierung wohl nicht einfach sein," zitierte "Mladá Fronta dnes" aus einem Kommentar von Marek Vagovič auf aktuality.sk, der noch Ende April erschienen ist. Vagovič versicherte, die Informationen seien bestätigt worden.

Tatsächlich hatte der zuständige slowakische Sonderstaatsanwalt über Fortschritte der Ermittlungen zuletzt noch am 26. März informiert. Er hatte auch erwähnt, dass die Polizei die Bewegung des eventuellen Täters dokumentiert habe, dabei aber nicht konkretisiert, ob es gelungen ist, diesen Menschen mit einer Kamera oder anders aufzunehmen. Er sprach auch nicht darüber, dass der Täter wiederholt im Haus war.

Suche nach weiteren Aufnahmen

In Veľká Mača, einer Gemeinde in der Westslowakei mit nur rund 2.600 Einwohnern, gibt es ein System mit 30 Sicherheitskameras. Das Haus von Ján Kuciak und Martina Kušnírová steht aber in einer Nebenstraße, wo keine einzige Kamera installiert ist. Den eventuellen Täter hätte also nur eine andere Kamera im Dorf oder vielleicht eine Kamera in einem Wagen erfassen können, schrieb die "Pravda".

Vor einiger Zeit hatte nämlich die slowakische Polizei tatsächlich Autofahrer aufgefordert, sollten sie am Tattag in Mača mit dem Auto unterwegs gewesen sein und eine Kamera im Wagen haben, derartige Aufzeichnungen nicht zu löschen und sie zur Verfügung zu stellen.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Bratislava wollte die Informationen vorerst nicht kommentieren mit dem Hinweis, man wolle die laufenden Ermittlungen nicht gefährden. Bereits seit sechs Wochen herrscht somit rund um die Ermittlungen absolute Stille. Es wurde auch nicht bekannt gegeben, was die Polizei Ende März im Wald hinter Kuciaks Haus gesucht hatte.

Untypisches Verhalten

Der slowakische Sicherheitsanalytiker Milan Žitný meinte allerdings der "Pravda" gegenüber, sollte der Täter tatsächlich wiederholt im Haus gewesen sein, würde dies darauf hindeuten, dass es sich nicht wie angenommen um einen professionellen Auftragsmörder handelte. Das würden auch die angeblich am Tatort herumliegenden Patronen andeuten. Sie zeugten von Stress, wie er für einen Profi in einer solchen Situation nicht typisch sei, so Žitný.

Ebenso sei Martina hinter dem PC und Jan auf dem Weg aus dem Keller erschossen worden. Keines der Opfer habe sich vom Täter wegbewegt, keiner der beiden scheine in Panik gewesen ein, alles habe offenbar ganz friedlich gewirkt. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Opfer ihren Mörder kannten, meinte der Experte. "Vielleicht kennen Strafrechtsorgane auch schon den Namen des Täters, nur haben sie noch nicht genügend Beweise, die auch vor Gericht standhalten," vermutete Žitný. (APA, 4.5.2018)