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Eine öffentlich streitende Regierungspartei müsste ein leichtes Ziel sein für die Opposition, hatte Labour-Chef Corbyn gehofft – vergeblich.

Foto: REUTERS/Peter Nicholls

Die englische Kommunalwahl hat den Status quo bestätigt. Die regierenden Konservativen unter Premierministerin Theresa May konnten ihre Stellung behaupten, der Oppositionspartei Labour gelang der vorab vorhergesagte Sturm auf viele Rathäuser nicht. Wie erwartet, kollabierte der Wähleranteil der EU-feindlichen Ukip-Partei, während die Anti-Brexit-Parteien Liberaldemokraten (LD) und Grüne leichte Gewinne verzeichneten.

Der Urnengang am Donnerstag galt ein knappes Jahr vor dem Brexit als wichtiger Stimmungstest für Mays konservative Minderheitsregierung. Neu gewählt nach vier Jahren wurden 4371 Mandate, darunter sämtliche Bezirke Londons sowie andere englischer Großstädte und ein Drittel der Sitze in kleineren Gemeinden.

2014 fiel die Kommunalwahl mit der Europawahl zusammen, bei der die EU-feindliche Ukip mit 27,4 Prozent vorne lag. Die damaligen Koalitionspartner Konservative und LD erlitten schwere Verluste. Am Freitag lag dann Labour mit 1473 Mandaten klar vor den Tories (886) und LD (326). Allerdings blieb der vorhergesagte Triumph aus: Die LD konnten mehr Sitze (40) hinzugewinnen als die viel größere Arbeiterpartei (37).

Ob die Corbyn-Euphorie nun ihren Höchststand erreicht habe, wurde der Oppositionsführer im südwestenglischen Plymouth gefragt, wo seine Partei das Rathaus erobert hatte. "Nein, nein", antwortete der 68-Jährige, "das wird noch besser. Labour hat gute Chancen, die nächste Unterhauswahl zu gewinnen."

An Boden verloren

Die Ergebnisse in anderen Landesteilen, nicht zuletzt in der Hauptstadt, bestätigten diesen Optimismus nicht unbedingt. In Städten wie Dudley, Bolton und Wigan ging für Labour Boden verloren. In Sheffield nahmen LD und Grüne der dort seit Jahrzehnten tonangebenden Arbeiterpartei Mandate ab. In der Industrie- und Universitätsstadt wird seit Monaten heftig über das Baumfällprogramm der Stadtregierung gestritten. Vor allem schaffte es die stark London-lastige Partei – neben Corbyn sind auch die Schattenminister für Brexit, Finanzen, Äußeres, Inneres hier beheimatet – nicht, eines der 32 Bezirksrathäuser der Hauptstadt zu erobern.

Vorab hatte die Partei traditionell Tory-wählende Bezirke wie Wandsworth, Westminster und Kensington ins Visier genommen und auf Stimmen der in England lebenden mehr als drei Millionen EU-Bürger gehofft. Im Nordwest-Londoner Bezirk Barnet holten die Tories wie vor vier Jahren erneut die Mehrheit der Mandate. Dort erlitt Labour in einzelnen, jüdisch geprägten Vierteln schwere Einbrüche. Die Partei steht seit Monaten in der Kritik, sie gehe nicht hart genug gegen Antisemiten unter ihren rund 560.000 Mitgliedern vor. Corbyns Vertraute Dawn Butler machte dafür den kürzlich zurückgetretenen Generalsekretär Ian McNicol verantwortlich; der gemäßigte Parteiflügel sieht die Schuld eher bei der harten Linken, zu der Corbyn zählt.

Von Ukip zu Tories

Wie erwartet profitierten die Tories wie schon im vergangenen Jahr von Wählern, die vor vier Jahren Ukip den Rücken gestärkt hatten. Die EU-Feinde verloren 93 Mandate und liegen nun abgeschlagen hinter den Grünen. Premier May feierte die leichten Verluste für ihre Partei wie einen Sieg, beteuerte aber auch: "Wir ruhen uns nicht aus." Die Stimmenverteilung stand am Freitag noch nicht fest. In Umfragen zur Unterhauswahl lagen Tories und Labour zuletzt Kopf an Kopf, was in der Downing Street als Erfolg gilt. Normalerweise stärken die Wähler auf der Insel zwischen Unterhauswahlen meist die Opposition. (Sebastian Borger aus London, 4.5.2018)