14. Mai 2017: Sebastian Kurz wird zum ÖVP-Chef designiert.

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Emmanuel Macron und Sebastian Kurz ähneln sich in vielen Belangen.

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Blankpolierte Kürassiere, glänzende Limousinen und zwei junge Herren in gut geschnittenen Anzügen, die auf den Treppen vor dem Élysée-Palast um die Wette strahlen. Es ist Mitte Jänner. Sebastian Kurz ist seit ein paar Wochen Bundeskanzler der Republik Österreich. Es sind die Tage, in denen der Meister der Symbolpolitik seiner noch jungen Amtszeit auch international Geltung und Glamour verleihen will. Seine erste Auslandsreise hat er nach Brüssel gemacht. No na.

Die zweite führt ihn nicht etwa ins urfade Bern oder nach Berlin, wo die eben wiedergewählte Angela "Mutti" Merkel dabei ist, eine Koalition aus dem Geist freudloser Notwendigkeit zu bilden. Stattdessen fährt Kurz nach Paris, zum flamboyanten Emmanuel Macron.

Die beiden Herren werden gelegentlich als politische Komplementäre beschrieben. Und tatsächlich ähneln sie sich in vielen Belangen: Beide können Stimmungen in der Bevölkerung lange vor allen anderen erspüren. Beide sind hochintelligent und extrem machtbewusst. Beide denken strategisch, sind pragmatisch und kontrollieren ihre Umgebung und ihre Agenden bis ins kleinste Detail.

Und schließlich, bei beiden stellen sich gar nicht so wenige Beobachter die Frage: Hat das Substanz, oder sehen wir bloß perfekt konstruierte Marketingoberflächen, auf die dankbare Wählerinnen und Wähler ihre Sehnsüchte und Wünsche projizieren? Was ist Sein, und was ist Schein?

Transformative Politiker

Angetreten ist Kurz wie Macron mit dem Anspruch, zumindest Reformpolitiker zu sein. Aber eigentlich wollen sie mehr: Sie wollen die aus ihrer Sicht überkommenen Strukturen in Österreich und Frankreich aufbrechen, ihren Ländern eine neue Richtung geben, in Wien und Paris das sein, was die Amerikaner in ihrem Land "transformative Präsidenten" nennen. Das sind Staatsmänner, die nach dem Ende ihrer Amtszeit ein tatsächlich verändertes Land hinterlassen.

Wo Kurz und Macron sich unterscheiden, ist ihr Stil: Dort der distinguierte Absolvent der französischen Elitenschmiede École nationale d'administration und frühere Investmentbanker, der seine Präsidentschaft als eine Art Managementaufgabe begreift (siehe Analyse). Da der leutselige ehemalige Jus-Student, der das althergebrachte System Österreich quasi disruptiv aufgebrochen hat und mit einem neuen politischen Businessmodell zu einer Art Start-up-Kanzler geworden ist.

Echte, politisch weitreichende Ergebnisse haben beide noch nicht vorzuweisen. Macron hat sich mit den französischen Eisenbahnern angelegt, Kurz mit den Sozialversicherungen und mittelbar mit den Landeshauptleuten. Der Ausgang beider Konflikte ist ungewiss. Die Frage nach dem Sein und dem Schein ist – zumindest in dieser Frage – vorerst noch nicht zu beantworten.

Wenig heikle Themen

In anderen Bereichen fällt auf, dass sich der Reformwille Kurz' und Macrons kaum auf heikle Bereiche erstreckt. Der Bundeskanzler etwa meidet eine Pensionsreform, die unter anderem der konservative Thinktank Agenda Austria unerschütterlich einmahnt.

Der französische Präsident seinerseits geht das Problem explodierender Staatsschulden, die viele Finanzexperten für die Zeiten nach der guten Konjunkturlage als äußerst bedrohlich erachten, mit zu wenig Nachdruck an.

Harte Reformen dieser Art versprechen in der Tat wenig Beifall. Aber es wären Meilensteine auf dem Weg vom talentierten Politiker zu dem Staatsmann, der sein Land tatsächlich transformiert. (Christoph Prantner, 5.5.2018)