Wien – Im Oktober 2017 starb die Schauspielerin Anne Wiazemsky im Alter von 70 Jahren. Die Filmgeschichte wird sich an sie als eine junge Frau erinnern, die in La chinoise (1967) von Jean-Luc Godard das revolutionäre Milieu des heraufdämmernden Pariser Mai von 1968 vertrat. In ihren späteren Jahren schrieb Wiazemsky autobiografische Romane, etwa über erste Erfahrungen mit dem Kino, als sie mit Robert Bresson Au hasard Balthazar (1966) drehte.

Louis Garrel gibt im Biopic "Le Redoutable" Jean-Luc Godard.
Foto: Studiocanal

Der alte Meister mit seinen asketischen Ideen zum "Kinematografen" machte Wiazemsky auf unbeholfene Weise den Hof. Dann kam eines Tages ein auch nicht mehr ganz junger Kollege ans Set: Godard war damals fast 40, Wiazemsky keine 20. Sie wurden ein Paar – der mürrische Star der Nouvelle Vague und die Tochter aus bestem Haus (ein Großvater Wiazemskys war der Literaturnobelpreisträger François Mauriac).

Die Geschichte dieser Beziehung könnte man auf viele verschiedene Weisen erzählen, nicht zuletzt mit analytischem Blick auf diesen alten Mythos, dass Kino darin bestehe, dass Männer "schöne Frauen schöne Dinge tun" lassen (François Truffaut). Michel Hazanavicius aber interessiert sich in seinem Film Le Redoutable (dt. "Der Gefürchtete") vor allem für die Oberfläche der Epoche. Wie schon in seinem Welterfolg The Artist (2011) geht es ihm vor allem um eine Idee von Glamour.

Das schwarz-weiße Kino der Stummfilmzeit gilt heute als ein Inbegriff einer künstlichen Ästhetik, und an diesen Aspekt schließt Le Redoutable an. Denn Hazanavicius zieht mit der Liebesgeschichte zwischen Wiazemsky und Godard auch so etwas wie eine Bilanz der frühen 1960er-Jahre und damit einer explodierenden Pop- und Warenkultur, die in allen Farben der Werbung und der Psychedelik schillert.

UniFrance

Im Kern geht es natürlich um eine romantische Verfehlung. Godard (Louis Garrel passt vom Typ her ganz gut, raucht aber viel zu wenig) hat schon damals all die Flausen im Kopf, die später sein undurchdringliches Werk prägen sollten, während Wiazemsky (Stacy Martin) gerade erst die Szene betritt. Sie ist intellektuell und sinnlich zugleich, vor allem aber hat sie kein Verständnis für die Negativität, mit der Godard zunehmend der Welt begegnet. 1968 sollte das in seinem berühmten Abschied vom Kino und in einer Radikalisierung seiner Praxis enden, die Wiazemsky noch eine Weile mitmachte.

Hazanavicius aber will vor allem dem Godard der mittleren 1960er huldigen, jenem Godard, der mit Brigitte Bardot Die Verachtung (1963) drehte und der dem Kino all die Tricks beibrachte, an denen sich Fans und Verächter Godards bis heute abarbeiten. Daran vor allem knüpft Hazanavicius an, mit einem Film, der vergnüglich ist, aber auch sein Thema deutlich verfehlt. (Bert Rebhandl, 5.5.2018)