Der Kommissionschef und sein Budget-Kommissar: Jean-Claude Juncker und Günther Oettinger haben vergangene Woche ihren Vorschlag für den EU-Haushalt von 2021 bis 2027 vorgestellt.

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Margit Schratzenstaller: Im Budget einen europäischen Mehrwert möglich machen.

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Wenig überraschend hat der jüngste Vorschlag der Europäischen Kommission zum EU-Budget 2021 bis 2027 den altbekannten "Nettopositionsreflex" ausgelöst. Die Mehrheit der EU-Länder betrachtet das EU-Budget nach wie vor als reine Umverteilungsaktion: und nicht als Instrument, das für alle EU-Länder einen Nutzen schafft, der größer ist als der Saldo aus Einzahlungen in das EU-Budget und empfangene Transfers daraus. Entsprechend drohen sich die Verhandlungen zum nächsten EU-Budget wie in der Vergangenheit auf dessen Gesamtvolumen und die zu seiner Finanzierung erforderlichen Finanzmittel zu verengen. Mit der Konsequenz, dass eine Reihe von Nettozahlern primär darauf drängt, den Umfang des EU-Budgets zu begrenzen: Anstatt zunächst die vielfältigen Herausforderungen für die EU zur Kenntnis zu nehmen, angefangen bei Flüchtlingsbewegungen und Migration über anhaltende regionale Ungleichheiten und den digitalen Wandel bis hin zum Klimawandel, und dann in einem zweiten Schritt die erforderlichen Ausgaben und Finanzierungsquellen festzulegen.

Brexit, Flüchtlinge und Klimaabkommen

Dabei sind grundsätzlich im Vergleich zur Vergangenheit die Voraussetzungen für eine Einigung auf ein zukunftsfähigeres Post-2021-Budget relativ günstig.

· Da ist erstens der "Brexit-Schock", da mit Großbritannien ein lautstarker Vertreter der Fixierung auf die Nettoposition wegfällt: womit sich die Gelegenheit ergibt, den Briten-Rabatt und sämtliche anderen Rabatte für mehrere Mitgliedsländer endlich zu beseitigen und so das Einnahmensystem zu vereinfachen sowie die Beitragslasten gleichmäßiger zu verteilen. Gleichzeitig verlässt mit Großbritannien ein erbitterter Gegner sämtlicher Initiativen zur europaweiten Steuerkoordination – und damit aller Überlegungen für eine teilweise Steuerfinanzierung der EU-Ausgaben – die Gemeinschaft.

· Zweitens sollte der "Flüchtlings- und Migrationsschock" das Bewusstsein geschärft haben, dass sich die EU nicht vor den globalen Entwicklungen abschotten kann, sondern eine proaktive Außen- und Integrationspolitik benötigt.

· Drittens bestehen internationale Verpflichtungen und Entwicklungen, zu deren Bewältigung das EU-Budget einen stärkeren Beitrag als bisher leisten könnte und sollte: die nachhaltigen Entwicklungsziele, das Pariser Klimaabkommen oder die internationalen Bemühungen um eine angemessene Besteuerung multinationaler Unternehmen.

· Und viertens können auch die aktuellen Debatten zu den Defiziten in der E(M)U-Architektur und zu künftigen Integrationsszenarios Impulse für umfassendere Reformen im EU-Budget setzen.

Agrarausgaben senken

Die EU-Kommission hat nun einen gemessen an den teilweise sehr weit auseinanderliegenden Einzelinteressen der Mitgliedsländer mutigen Vorschlag präsentiert. Der Anteil der Agrarausgaben soll von derzeit vierzig Prozent, jener für Strukturpolitik von derzeit 34 Prozent auf jeweils etwa dreißig Prozent sinken. Dafür soll ein größerer Teil der Ausgaben für Forschung und Innovation sowie für Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden. Insgesamt ist bezogen auf die EU-27 eine leichte Reduktion des Budgetvolumens von derzeit 1,16 Prozent auf 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens vorgesehen. Die nationalen Beiträge ins EU-Budget sollen durch neue echte Eigenmittelquellen – ein Anteil an den Einnahmen aus der Versteigerung der Emissionszertifikate, ein Aufschlag auf eine harmonisierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage sowie Plastiksteuer – ergänzt werden. Diese sollen zwölf Prozent der gesamten EU-Einnah- men ausmachen und bis 2027 den Anteil der nationalen Beiträge von 84 Prozent auf 71 Prozent verringern.

Eine Einigung auf ein zukunftsfähiges EU-Budget kann allerdings nur gelingen, wenn der Fokus der Verhandlungen weg von den Nettosalden der Mitgliedsländer hin zu einer zukunftsfähigen Ausgestaltung des EU-Budgets verschoben wird.

Dreh- und Angelpunkt dafür ist eine noch konsequentere Orientierung der Ausgestaltung des EU-Budgets am europäischen Mehrwert: Die EU soll – und das entspricht auch dem Prinzip der Subsidiarität – nur Aufgaben übernehmen, die sie besser erledigen kann als einzelne Mitgliedsstaaten. Danach wären die Agrarausgaben deutlicher zu verringern, hin zu einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung zu verschieben und zu deckeln, um gezielt kleinbetriebliche Strukturen zu fördern.

Auf "Ärmere" konzentrieren

Die Struktur- und Kohäsionsmittel sollten sich stärker auf die "ärmeren" Mitgliedsländer konzentrieren. So würde sich der Spielraum für ein noch stärkeres Gewicht der Ausgaben für Forschung, eine klimafreundliche grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur, für Integrationsmaßnahmen und Entwicklungszusammenarbeit vergrößern. Auch würde die Orientierung am europäischen Mehrwert Akzeptanz für eine Erhöhung des Budgetvolumens schaffen. Die Nutzung weiterer Steuern, die wegen Ausweichreaktionen auf nationaler Ebene nur schwer eingehoben werden können oder grenzüberschreitende Probleme betreffen, als Eigenmittel würde den europäischen Nutzen des EU-Budgets weiter erhöhen – etwa eine EU-weite Abgabe auf Flugtickets, CO2-Emissionen oder Finanztransaktionen. (Margit Schratzenstaller, 6.5.2018)