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Anhänger der Hisbollah ...

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... und der christlichen Partei "Libanesische Kräfte" in Beirut.

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Beirut – Erstmals seit neun Jahren haben die Libanesen ein neues Parlament gewählt. Rund 3,7 Millionen Wähler waren am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen. Dabei wurde erstmals ein neues Wahlsystem angewendet, um die bisherige Zweiteilung zwischen dem proiranischen Lager um die Hisbollah-Bewegung und dem prosaudiarabischen Lager um Ministerpräsident Saad Hariri aufzubrechen.

Die Politik in dem Zedernstaat ist seit langem geprägt durch die Rivalität der beiden Lager und wird dadurch immer wieder gelähmt. Zudem gelten Korruption und Günstlingswirtschaft als weitverbreitet. Durch den Wechsel vom Mehrheits- zum Verhältniswahlrecht sollte kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten jetzt der Einzug ins Parlament erleichtert werden.

Lange Warteschlangen

In der Hauptstadt Beirut bildeten sich schon in den frühen Morgenstunden Schlangen vor den Wahllokalen. Mit der 2017 verabschiedeten Reform des Wahlsystems sollten Vertreter der Zivilgesellschaft zur Kandidatur ermutigt werden. Unter anderem rief die Koalition Kulluna Watani die Wähler auf, gegen das politische Establishment zu stimmen.

Eine Stunde vor Schließung der Wahllokale lag die Wahlbeteiligung laut dem Innenministerium bei 46,8 Prozent. Die Wahllokale schlossen offiziell um 19.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MESZ), in einigen durften Schlange stehende Wähler aber noch abstimmen. Die Ergebnisse könnten ab Montag verkündet werden.

Bis zu 30.000 Polizisten und Soldaten waren zur Sicherheit der Wahl im Einsatz, nachdem der Libanon in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel von Anschlägen gewesen war. Die Stimmabgabe verlief Beobachtern zufolge weitgehend ohne Zwischenfälle. Die Wahl war wegen des Bürgerkriegs im benachbarten Syrien zuvor drei Mal verschoben worden. Rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben im Libanon.

Insgesamt bewarben sich 597 Kandidaten auf 77 Wahllisten um die 128 Parlamentssitze. Bei der letzten Parlamentswahl 2009 hatte das prowestliche Lager von Hariri die Mehrheit der Stimmen geholt.

Ungelöstes Müllproblem

Die Abgeordneten bestimmen den Ministerpräsidenten und entscheiden über die zentralen politischen Fragen des Landes. Überfällig sind wirtschaftliche Entscheidungen in einem Land, das unter täglichen Stromausfällen, Wasserknappheit und einem seit drei Jahren ungelösten Müllproblem leidet.

Gemäß der seit dem Ende des Bürgerkriegs (1975 bis 1990) geltenden Verfassung werden die drei höchsten Staatsämter von einem Sunniten, einem Schiiten und einem christlichen Maroniten besetzt, und auch die Parlamentssitze werden unter den verschiedenen Konfessionsgruppen aufgeteilt.

Ganz unabhängig vom Ausgang der Wahl am Sonntag dürfte die Hisbollah auch künftig das politische Geschehen dominieren. "Das neue Parlament wird für die Hisbollah kein Störfaktor sein. Sie wird davon profitieren, dass ihr keine Große Koalition gegenübersteht", sagt Imad Salamay, Politikwissenschaftler an der American University in Beirut.

Und auch der sunnitische Ministerpräsident Hariri dürfte seinen Posten behalten – selbst wenn seine Zukunftsbewegung mehrere Sitze verlieren sollte.

Hariri war wegen der Beteiligung der Hisbollah an der im Oktober 2016 gebildeten Regierung der nationalen Einheit im November von Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman während eines Besuchs in Riad zum Rücktritt gezwungen worden. Erst auf internationalen Druck hin konnte Hariri nach Beirut zurückkehren, wo er seinen Rücktritt zurückzog. (APA, AFP, 6.5.2018)