Linz – Die gruppendynamische Einstimmung der jungen Parteiretter auf den ersten großen Auftritt hatte es durchaus in sich: Ehe man bei der grünen Zukunftsveranstaltung am Wochenende zum "Next Generation Lab" lud, gab man sich am Freitagabend total retro und pilgerte beinahe geschlossen zum David-Hasselhoff-Konzert in Linz.
Altersgrenze
Ein Schelm, der hier Böses denkt und den Limbo Dance als Messlatte für den aktuellen Zustand der Partei sieht – denn insbesondere die jungen Grünen wollen hoch hinaus und drängen auf Erneuerung. Bereits kurz nach der historischen Wahlschlappe am 15. Oktober fomierte sich eine Gruppe junger Parteimitglieder zur grünen Next-Generation-Gruppe. Und es gibt genau ein Aufnahmekriterium: Kein Mitglied darf älter als die Partei sein – also plus/minus 35 Jahre.
Diesen Punkt erfüllt das Führungsteam der aktuell zehnköpfigen Gruppe jedenfalls: Nina Tomaselli, Landtagsabgeordnete aus Vorarlberg, ist ebenso wie der oberösterreichische Abgeordnete Stefan Kaineder 33, der Wiener Gemeinderat Peter Kraus ist 31.
Passt das Alter, ist die Zukunftsgruppe übrigens auch für Nichtparteimitglieder offen. Regelmäßig sollen jetzt Vernetzungstreffen stattfinden. Nicht immer werden dabei alle an einem Tisch sitzen. Nach dem Motto "Low Budget Politics" werden spezielle Online-Kommunikationsformate wie "Slack" die grünen Parteiretter zusammenbringen. Gearbeitet wird zu bestimmten Themen in Workshops, ein Ergebnis will man beim Bundeskongress im November vorlegen.
Unabhängiger Teil der Partei
Doch bei allem jugendlichen Enthusiasmus stellt sich dennoch eine Frage: Nährt die neue Jugendgruppe nicht das ohnehin belastende Bild einer gespaltenen Partei? Hängt nicht der Geruch der Basisrevolution in der Luft? "Ganz im Gegenteil", lässt Kaineder solche Gedanken im STANDARD-Gespräch erst gar nicht aufkeimen. "Wir sehen uns als Teil der Partei, arbeiten aber unabhängig. Es ist genug getrauert, gejammert und analysiert worden. Wir wollen endlich raus aus dieser Schockstarre und tun jetzt einfach. Und wenn wir scheitern, fangen wir noch einmal von vorne an."
Kraus ergänzt: "Die Zeit der Eitelkeiten ist vorbei. Wir haben lange genug öffentlich gestritten und erkannt, dass wir das nicht können. Darum tun wir es jetzt einfach nicht mehr." Man habe nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat "rasch erkannt", dass man "in die Verantwortung" gehen müsse, so Kraus.
"Die große Frage war ja damals im erweiterten Bundesparteivorstand: Was ist eigentlich passiert? Warum sind wir rausgeflogen? Es ist halt sehr viel um Vergangenheitsbewältigung gegangen. Wir haben damals aber das Gefühl gehabt, dass wir nicht ewig Zeit für Trauer haben. Wir wollten was tun – als Generation, die jünger ist als die Grünen selber", erzählt Tomaselli im STANDARD-Gespräch. Next Generation Lab sei ein "Innovationsraum", um neue Gedanken fassen zu können.
Keine Revolution
Empfindlich reagieren die drei jungen Neudenker auf das Wort "Basisrevolte". Kraus: "Wir stehen voll hinter Werner Kogler." Der grüne Bundesparteichef sei von Anbeginn an in das Vorhaben eingeweiht gewesen und habe die Idee "sehr begrüßt". Überhaupt hat man den Eindruck, dass das Ziel des Next Generation Lab nicht die Neuerfindung der grünen Bewegung ist. Tomaselli: "Es braucht keine neue Partei. Wir haben den richtigen Kompass, müssen diesen aber dringend neu eichen. Unser Parteiprogramm ist aus dem Jahr 2001. Da hat sich seitdem in der Welt vieles verändert. Wir müssen auf die Höhe der Zeit."
Auch ortet man in der neuen grünen Denkwerkstatt eine Identifikationskrise. Kaineder: "Den Parteimitgliedern in unserem Alter fehlt das grüne Schlüsselerlebnis. Wir haben kein Zwentendorf, keine Hainburger Au. Die, die etwa 1978 dabei waren, haben sich nie die Frage stellen müssen, was der tiefere Grund ist, warum sie bei den Grünen sind." Man wolle daher den jungen Menschen in der Partei wieder einen Grund liefern, warum es sich lohnt, für die grüne Sache zu brennen.
Für das erste Next Generation Lab am Samstag in der Linzer Tabakfabrik gab es rund 100 Anmeldungen. Was die drei grünen Retter "total überrascht", man habe nicht mit so einem "Ansturm" gerechnet. Doch offensichtlich ist der Wunsch nach einer neuen grüne Freiheit groß. Oder um es mit David Hasselhoff zu sagen: "I've been looking for freedom, I've been looking so long." (Markus Rohrhofer, 7.5.2018)