Dass Stillen einen langfristigen Effekt auf die Gesundheit hat, ist erwiesen. Die Erforschung der konkreten Mechanismen dahinter ist allerdings Work-in-Progress. An der Med-Uni Wien haben Wissenschaftler einen neuen Aspekt ermittelt.

ForscherInnen des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie unter der Leitung von Hannes Stockinger haben eine bisher unbekannte Funktion des Proteins Lactoferrin entdeckt, das hauptsächlich in der Muttermilch enthalten ist. Das zentrale Ergebnis der Studie, die jetzt im Journal of Biological Chemistry publiziert wurde: Lactoferrin hemmt bestimmte Prozesse bei der Auflösung von Blutgerinnseln und bei der Zell-Wanderung (Migration). Stockinger: "Diese Entdeckung könnte für die Entwicklung neuer Therapeutika bei Krebs, aber auch bei der Behandlung bestimmter bakterieller Infektionen nützlich sein."

Wie sich Organe entwickeln

Der Hintergrund: Das Enzym Plasminogen ist eines der wichtigsten Enzyme im menschlichen Körper, das maßgeblich am Abbau von Eiweißen beteiligt ist. Es ist entscheidend für die Auflösung von Blutgerinnseln, aber auch an einer Vielzahl anderer physiologischer Prozesse beteiligt, etwa an der Entwicklung von Geweben und Organen, an der Immunreaktion oder an der Wundheilung. Um seine Rolle zu erfüllen, muss die inaktive Form des Plasminogenmoleküls in die aktive Form "Plasmin" gebracht werden.

Ist dieser Prozess gestört, kann es zu vielen krankhaften Prozessen im Körper führen, so Studienleiter Vladimir Leksa von der Med-Uni Wien. "Bösartige Tumorzellen oder einige virulente Bakterienarten, zum Beispiel Borrelien, binden und aktivieren menschliches Plasminogen, um Gewebebarrieren zu durchdringen. Dementsprechend ist das Plasminogensystem ein günstiges Ziel für diagnostische und therapeutische Strategien bei Krebs und Entzündungskrankheiten."

Grundlage für spätere Therapie

Die neue Studie, die in Zusammenarbeit mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava veröffentlicht wurde, zeigt nun deutlich, dass das menschliche Milchprotein Lactoferrin die Plasminogenaktivierung durch direkte Bindung an menschliches Plasminogen blockiert. Dadurch kann sowohl eine Tumorzellinvasion blockiert, als auch ein Eindringen von Bakterien wie Borrelien verhindern werden. Die Hauptquelle für menschliches Lactoferrin ist die menschliche (Mutter-)Milch, es ist aber auch im Serum, in Tränen, Speichel oder Urin enthalten.

"Unsere Ergebnisse tragen nicht nur zum Verständnis vieler antimikrobieller, antitumoraler und immunmodulatorischer Aktivitäten bei, die Lactoferrin zugeschrieben werden, sondern legen auch nahe, dass Lactoferrin als natürliches Werkzeug für therapeutische Interventionen nützlich sein kann, um sowohl invasive bösartige Zellen als auch virulente Bakterien am Eindringen in Wirte zu hindern", fasst Stockinger zusammen. (red, 7.5.2018)