Sie schleichen lautlos und unauffällig durchs Gras: Zecken sind nur zwei Millimeter lang.

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Sie sind so leicht zu übersehen, dort unten im Gras. Während man auf der Wiese sitzt und den schönen Frühlingstag genießt, schleicht sich lautlos ein hungriger Blutsauger an einen heran. Der nur zwei Millimeter lange Parasit krabbelt einen Halm entlang. Auf den ersten Blick sieht er aus wie eine kleine, dunkelbraune Spinne, doch der Schein trügt. Das ist ein Holzbock, eine häufige Zeckenspezies und potenzieller Überträger gefährlicher Krankheiten.

Jedes Jahr wird hierzulande vor der mitunter tödlichen Frühsommer-Meningoenzephalitis gewarnt. Die Infektionen erfolgen durch Zeckenstiche. Auch die Erreger der Borreliose, Bakterien der Art Borrelia burgdorferi, gelangen über diesen Weg in den menschlichen Körper. Bei unbehandelten Patienten können sie sich sogar im zentralen Nervensystem einnisten und bleibende Schäden verursachen.

Nur wenige Angehörige der heimischen Fauna stellen medizinisch ein so großes Problem dar wie die Zecken. Holzbock & Co sind weit verbreitet und lassen sich nur schwerlich bekämpfen. Mückenabwehrende Mittel bieten einen gewissen Schutz, aber wer viel draußen unterwegs ist, den wird es irgendwann wahrscheinlich trotzdem erwischen. Eine FSME-Schutzimpfung ist deshalb dringendst empfohlen. Gegen Borreliose indes gibt es kein Vakzin, Borrelia burgdorferi kann nur mit Antibiotika therapiert werden.

Häufigkeit nimmt zu

Abgesehen davon scheint die Häufigkeit von Zeckenstichen zuzunehmen. Ob die Parasiten in der Anzahl zunehmen oder dies eher dem Freizeitverhalten der Menschen verschuldet ist, lässt sich momentan nicht eindeutig klären. Die Populationsdynamik der Zecken wirft auch für Experten noch eine Menge Fragen auf. Womöglich profitieren die blutsaugenden Milben vom Klimawandel. Wenn es dank milder Winter mehr Mäuse gibt, haben vor allem Jungzecken, Nymphen genannt, ein besseres Nahrungsangebot.

Andere menschliche Eingriffe im Naturhaushalt könnten den Parasiten ebenfalls zum Vorteil gereichen. Viele Flüsse zum Beispiel sind heute reguliert, starke Pegelschwankungen selten. In den somit meist trockenen Uferzonen finden Zecken beste Lebensbedingungen. Überflutungen dagegen bringen sie offenbar in Bedrängnis.

Ein Forscherteam der Wiener Medizinischen und Veterinärmedizinischen Universität untersuchte die Zeckenpopulationen in den Auwäldern entlang der Donau zwischen Korneuburg und Klosterneuburg. Die Erfassungen wurden sowohl vor als auch nach dem Hochwasser von 2013 durchgeführt – mit bemerkenswerten Resultaten. Das Ereignis, so zeigte sich, reduzierte die Zeckendichte in ufernahen Bereichen um das Zwanzigfache. Hunderte Meter weiter landeinwärts betrug die Verringerung noch immer gut 50 Prozent (vgl.: "Experimental and Applied Acarology", Band 71, Seite 151). Ertrunken dürften die Winzlinge allerdings nicht sein. Eingegrabene Zecken können wochenlang unter Wasser überleben. Stattdessen fehlte es den Krabblern nach der Flut vermutlich an Wirtstieren.

Ameisen als Gegenspieler

Einer neuen Schweizer Studie zufolge haben Zecken auch aufseiten der Insekten wichtige Gegenspieler: Ameisen. Wissenschafter der Universitäten Bern und Neuchâtel hatten zunächst eine systematische Kartierung der Ameisennester in einem Waldgebiet im Jura-Gebirge durchgeführt. Am häufigsten ist dort die Rote Waldameise Formica polyctena vertreten. In einem zweiten Projekt erfassten die Forscher die Vorkommen von Zecken in unterschiedlichen Entfernungen zu den Ameisennestern. Die Parasiten sind leicht einzufangen, man muss lediglich ein weißes Leintuch über den Boden und die Vegetation schleppen, wie die Biologin Silvia Zingg, Erstautorin der besagten Studie, erläutert. Die Blutsauger halten sich sofort daran fest – wie bei Wanderern an der Kleidung eben.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen einen interessanten Trend. Weniger die Nähe, sondern eher die Größe eines Ameisenhaufens bestimmt darüber, wie viele Zecken sich im Umfeld aufhalten. Im Einzugsbereich starker Nester mit einem Volumen von 0,5 Kubikmeter zum Beispiel lassen sich durchschnittlich nur 3,5 Zecken pro 100 Quadratmeter nachweisen. Bei kleinen Haufen steigt diese Zahl auf mehr als elf Stück an (vgl.: "Parasites & Vectors", Band 11, Seite 164).

Störender Geruch

Um der Ursache der Schwankungen auf die Spur zu kommen, führten Silvia Zingg und ihre Kollegen zusätzlich einige Freilandversuche durch. Sie setzten jagenden Ameisen Zecken in verschiedenen Stadien vor und beobachteten die Reaktionen. Erstaunlicherweise trugen die Arbeiterinnen nur vollgesaugte Zecken zum Nest, "leere" Exemplare ließen sie liegen, und Nymphen wurden sogar vollständig ignoriert.

Zingg vermutet, dass Zecken vor allem durch den beißenden Geruch der Kolonien vertrieben werden. "Ameisensäure hat auf fast alles eine abschreckende Wirkung", betont sie. Und möge die Art Formica polyctena auch keinen besonderen Appetit auf die Parasiten haben, so fressen andere Arten durchaus auch Nymphen. Generell scheinen gesunde Ameisenpopulationen die Zeckendichte niedrig halten zu können, sagt die Forscherin. Eine weitere ökologische Dienstleistung der emsigen Insekten. (Kurt de Swaaf, 8.5.2018)