Bochum – In den Nuller Jahren führten Forscher der Universität Newcastle Experimente durch, für die sie 2005 mit dem Ignobel-Preis ausgezeichnet wurden. Der belohnt Forschungen, die im Kontext betrachtet zwar absolut sinnvoll sind, ohne einen solchen Blick auf den Kontext aber eine gelinde gesagt skurrile Anmutung haben. Und das war hier eindeutig der Fall: Das Team aus Newcastle hatte die Gehirnaktivität von Heuschrecken gemessen, während man den Tieren Highlights aus dem Science-Fiction-Epos "Star Wars" vorspielte.

Das Sequel kommt nun aus Bochum und ist vielleicht ein Kandidat für die heurige Ignobel-Vergabe: Diesmal wurde per Magnetresonanztomographie untersucht, wie Nilkrokodile reagieren, wenn man ihnen klassische Musik und andere eher ungewöhnliche Sinnesreize kredenzt. Die Experimente gewähren letztlich tiefe Einblicke in die Evolution, wie die Universität Bochum berichtet.

Bach für Flussbewohner

Um die Gehirnaktivität der Tiere messen zu können, musste das internationale Forscherteam aus dem Iran, Südafrika, Frankreich und Deutschland erst einmal technische Hürden überwinden: "Wir mussten zum Beispiel den Scanner an die Physiologie des Krokodils anpassen, die sich zum Teil massiv von der der Säugetiere unterscheidet", sagt Mehdi Behroozi aus dem Forscherteam.

Zum Einsatz kamen übrigens nur etwa einen Meter lange Jungtiere. Die Tiere wurden fixiert, zudem wurde ihnen das Maul sicherheitshalber zugebunden. Trotzdem schienen sie sich laut den Forschern im Gerät überraschend wohlzufühlen – möglicherweise empfanden sie die Umgebung ähnlich wie die Erdhöhlen, in denen Nilkrokodile Trockenzeiten überdauern, vermutet Behroozis Kollege Felix Ströckens.

Nachdem das Ausrüstungsproblem gelöst war, konnten die Forscher die Krokodile mit verschiedenen Seh- und Hörreizen konfontieren – darunter auch Musik von Johann Sebastian Bach. Währenddessen wurde die Gehirnaktivität der Tiere gemessen. Die Ergebnisse zeigten, dass bei der Präsentation von komplexen Reizen wie etwa klassischer Musik im Vergleich zu einfachen Tönen zusätzliche Gehirnareale aktiviert wurden.

Rückschlüsse auf die Evolution des Gehirns

Dieses Verarbeitungsmuster ähnelt laut den Forschern frappierend den Mustern, die bei Säugern und Vögeln bei ähnlichen Untersuchungen gefunden wurden. Und hierin liegt auch der Grund des skurril anmutenden Experiments: Krokodile sind die nächsten Verwandten der Vögel, beide haben sich aus der etwa 250 Millionen Jahre alten Gruppe der Archosaurier entwickelt.

Die Nilkrokodile des Experiments ermöglichten also eine Einschätzung der Evolution des Gehirns. "Untersuchungen von Krokodilgehirnen erlauben einen tiefen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Nervensystems von Wirbeltieren und können helfen zu verstehen, wann bestimmte Gehirnstrukturen und damit verbundene Verhaltensweisen im Laufe der Evolution entstanden sind", sagt Ströckens.

Aus den Ergebnissen schließen die Wissenschafter, dass sich grundlegende neuronale Verarbeitungsmechanismen für sensorische Reize schon sehr früh im Laufe der Evolution entwickelt haben. Und ganz nebenher zeigte das Experiment, dass die funktionelle Magnetresonanztomographie auch bei wechselwarmen Tieren funktioniert. (red, 14. 5. 2018)