Italiens Präsident Sergio Mattarella will nicht länger zusehen und nimmt die Regierungsbildung selbst in die Hand.

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Es war eine Protestwahl. Bei der Parlamentswahl am 4. März erhielten die beiden Antisystemparteien, die postideologische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Beppe Grillos und die fremdenfeindliche Lega, jede zweite abgegebene Stimme. Die Grillini kamen auf knapp 33 Prozent der Stimmen, die Lega auf gut 17 Prozent. Die beiden zuvor tonangebenden Parteien – der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) von Regierungschef Paolo Gentiloni sowie die Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi – verloren fast die Hälfte ihrer Wähler.

Der Wählerwille war unmissverständlich: M5S und Lega sollen zusammen regieren und das zustande bringen, was dem PD respektive Berlusconi in den letzten 25 Jahren nicht gelungen ist: die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, Europa die Stirn zu bieten, sich um die Armen, Alten und die Arbeitslosen zu kümmern – und die Grenzen für Einwanderer dichtzumachen. Die dafür notwendige absolute Mandatsmehrheit in beiden Parlamentskammern hätten die beiden Parteien gehabt. Auch politisch gab es viele Gemeinsamkeiten: Ihr Programm bestand im Wesentlichen darin, zu allem Nein zu sagen, was die früheren Regierungen gemacht hatten.

Di Maio und Salvini grandios gescheitert

Trotz der optimalen Ausgangslage sind die beiden Wahlsieger grandios daran gescheitert, eine Koalition zu schmieden. Das Problem war angeblich Berlusconi: M5S-Spitzenkandidat Luigi Di Maio wollte nicht mit dem vorbestraften Ex-Premier regieren, Lega-Chef Matteo Salvini nicht ohne ihn. Doch letztlich scheiterten die Koalitionsverhandlungen am übergroßen Ego der beiden Kandidaten: Sowohl Di Maio als auch Salvini beanspruchten die Führungsrolle. Das Schauspiel war niederschmetternd: Zwei Monate lang vollführten die beiden jeden Tag neue Pirouetten.

Am Montagabend nahm Staatspräsident Sergio Mattarella schließlich zur Kenntnis, dass mit dem gewählten politischen Personal keine Regierung gebildet werden konnte. Als Ausweg schlug er eine aus unabhängigen Experten zusammengesetzte Übergangsregierung vor, die das Budget 2019 und eventuell ein neues Wahlgesetz ausarbeiten soll, um dann im Dezember zurückzutreten und den Weg für Neuwahlen zu ebnen.

Mattarella warnt vor weiterer Blockade

Doch als hätten sie nicht schon genug Schaden angerichtet, wollen Salvini und Di Maio nun auch noch die Übergangsregierung verhindern. Sie wollen möglichst schnell Neuwahlen erzwingen – bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit bloß ein neues Patt entstehen würde.

Bei vorgezogenen Neuwahlen, die frühestens Ende Juli durchgeführt werden könnten, besteht die konkrete Gefahr, dass das Budget nicht rechtzeitig verabschiedet wird. In diesem Fall würde automatisch die Mehrwertsteuer von 22 auf 25 Prozent erhöht – mit den entsprechenden dämpfenden Folgen für die ohnehin nur langsam wachsende italienische Wirtschaft. Eine längere Phase politischen Unsicherheit könnte das hochverschuldete Land außerdem neuen spekulativen Attacken der Finanzmärkte aussetzen, warnte Mattarella.

Wacklige Übergangsregierung

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der Übergangsregierung um eine Totgeburt handeln wird, ist groß. Sehr bald wollte der Staatspräsident einer Person seines Vertrauens den Auftrag geben, eine Regierung zu bilden. Erstmals könnte dabei eine Frau zum Zug kommen, etwa die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartarbia, oder die Ökonomin Lucrezia Reichlin, Professorin an der London Business School und ehemalige Generaldirektorin der Forschungsabteilung der Europäischen Zentralbank. Vielleicht, spekulieren Medien, könnte eine solche Übergangsregierung die Vertrauensabstimmung überstehen – trotz der Neinsager Di Maio und Salvini.

Dass die flatterhaften Grillini mit der autoritären Lega keine Regierung zustande brachten, ist jedenfalls weder für Italien noch für Europa ein Unglück. Dass sie dem Land zwei Monate lang einen politischen Stillstand beschert haben, der nun eventuell noch Monate andauern wird, dagegen schon. (Dominik Straub aus Rom, 8.5.2018)