Elektronenmikroskopische Aufnahme von Acidobakterien.

Foto: Stephanie A. Eichorst

Bodenkrusten in der Negev Wüste (Israel).

Foto: Stefanie Imminger

Mitarbeiter der Arbeitsgruppe bei der Probennahme in der Negev-Wüste.

Foto: Dagmar Woebken

Bodenkruste nach simuliertem Regen.

Foto: Stephan Köstlbacher

Das Leben von uns Menschen wie auch von Pflanzen und Tieren ist in starkem Maße abhängig von Mikroorganismen. Sie sind die treibende Kraft in vielen globalen Stoffkreisläufen auf unserer Erde, in denen sie Nährstoffe recyceln. Im Boden sind sie für wichtige Prozesse verantwortlich wie zum Beispiel für den Abbau von Pflanzenmaterial oder für die Fixierung von Luftstickstoff – Stickstoff ist ein essenzieller Nährstoff für alle Lebewesen.

Im Boden geht man allerdings davon aus, dass nur circa 20 Prozent der Mikroorganismen (Bakterien und Archaeen) aktiv sind, der Rest befindet sich in einem Ruhezustand. Was hat es damit auf sich, und warum ist das nicht nur von Vorteil für die Mikroorganismen, sondern auch für die Ökosysteme?

Böden beherbergen eine enorme mikrobielle Vielfalt

Böden enthalten eine der vielfältigsten Gemeinschaften von Mikroorganismen weltweit und stellen uns Wissenschafter damit immer wieder vor große Herausforderungen. Ein Grund, warum sich diese große Diversität im Boden erhalten kann, ist, dass dieser Lebensraum für Mikroorganismen sehr unterschiedliche Nischen bietet. Sauerstoffkonzentrationen verändern sich bereits innerhalb eines Krümels Boden, und auch Nährstoffe sind ungleichmäßig verteilt. Damit können Mikroorganismen mit verschiedensten Ansprüchen auf engem Raum koexistieren.

Ein anderer Grund für diese große Vielfalt: Ein Großteil der Mikroorganismen befindet sich in einem reversiblen Zustand geringer Stoffwechselaktivität, also in einer Art Ruhezustand. Damit bilden sie – vergleichbar zu den Samen von Pflanzen – sogenannte "mikrobielle Samenbanken" im Boden. Diese erhalten die vielen verschiedenen Arten im Ökosystem und garantieren damit die Artenvielfalt.

Vorteile der "mikrobiellen Samenbanken" für Ökosysteme

Es sind also nicht alle Mikroorganismen im Boden zur gleichen Zeit aktiv, sondern nur jene, die an die jeweiligen Bedingungen angepasst sind. Die anderen sind im Ruhezustand, bis sich die Bedingungen zu ihren Gunsten verbessern und sie reaktiviert werden. Man geht davon aus, dass dergestalt "mikrobielle Samenbanken" für die Stabilität von Ökosystemen verantwortlich sind. Damit ist gemeint, dass ein bestimmter Prozess unter ganz verschiedenen Umweltbedingungen stattfindet und nicht durch veränderte Bedingungen zum Erliegen kommt. Die große Vielfalt von Bodenmikroorganismen stellt sicher, dass mehrere Organismen mit der gleichen Funktion vorhanden und unter verschiedenen Bedingungen aktiv sind.

Wie muss man sich diesen Ruhezustand bei Mikroorganismen vorstellen?

Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten für Mikroorganismen, einen reversiblen Zustand von geringer Stoffwechselaktivität einzunehmen. Das bekannteste Beispiel sind mit Sicherheit Sporen, wie sie zum Beispiel von Bacillus-Arten gebildet werden. Doch auch andere Bakterien können ganz bestimmte Ruhestadien bilden wie zum Beispiel Cyanobakterien. Andere Bakterien verringern einfach ihre Größe, ihren Gehalt an Proteinen oder Lipiden oder sie verändern die Zusammensetzung dieser Stoffe. Wieder andere legen einen Vorrat von Speicherstoffen an, sodass sie die Ruhephase überdauern können.

Ruhezustände sind am besten von medizinisch-relevanten Mikroorganismen bekannt, da sie auch bei Krankheiten wie Cholera und Tuberkulose eine Rolle spielen. Allerdings kennen wir dadurch nur einen kleinen Teil der möglichen Strategien, wie Mikroorganismen zum Überdauern von schlechten Bedingungen ihre Stoffwechselaktivität verringern können. Böden enthalten wie oben erwähnt ein großes Reservoir von Mikroorganismen mit dieser Fähigkeit. Daher untersuchen wir in meiner Gruppe deren Mechanismen, und wie sie damit zur Stabilität von Ökosystemen beitragen können.

Wie überdauern Mikroorganismen in Böden?

Gemeinsam mit der Mikrobiologin Stephanie A. Eichorst untersuchen wir eine Gruppe von Mikroorganismen, die besonders häufig in Böden vorkommt – die Acidobakterien. Bei Genomuntersuchungen dieser Bakterien haben wir festgestellt, dass mehrere Arten Gene für eine bestimmte Hydrogenase enthalten. Diese Hydrogenase würde es den Bakterien ermöglichen, atmosphärische Konzentrationen von Wasserstoff aufzunehmen, wodurch vermutlich die Atmungskette im Ruhestadium erhalten wird. Dies könnte ein Mechanismus sein, durch den diese weitverbreiteten Bakterien längere Phasen im Ruhezustand überstehen. Als Nächstes muss nun in Experimenten die Nutzung dieser Hydrogenasen im Ruhezustand bestätigt werden.

Außerdem fokussieren wir uns für die Untersuchung von Ruhezuständen in Bodenmikroorganismen auf Proben aus der Negev-Wüste in Israel. Wüsten repräsentieren Ökosysteme, in denen es von besonders großem Vorteil ist, wenn man lebensfeindliche Bedingungen überdauern kann. Dort regnet es nur wenige Tage im Jahr, was das Wachstum von Pflanzen einschränkt. Stattdessen bilden sich sogenannte Bodenkrusten auf der Bodenoberfläche, die sich aus Cyanobakterien, aber auch aus anderen Bakterien sowie Archaeen, Pilze, Flechten und Moose zusammensetzen. Sie sind ein wichtiger Erosionsschutz und Nährstofflieferant für die darunterliegenden Böden. Den größten Teil des Jahres verbringen die Mikroorganismen der Bodenkrusten aufgrund von Wassermangel im Ruhezustand. Wenn es regnet haben sie nur wenige Tage, in denen die Feuchtigkeit ihre Reaktivierung erlaubt, bevor sie wieder in ihr Ruhestadium übergehen müssen. Durch Experimente im Labor wollen wir entschlüsseln, ob und wie sich die Mikroorganismen auf die nächste Trockenperiode vorbereiten und mit welchen Strategien sie diese überdauern. (Dagmar Woebken, 9.5.2018)