Es war mehr als nur ein Hauch vom Kalten Krieg, der Anfang Mai durch den Hangar des US-Flugzeugträgers George H. W. Bush wehte, als Admiral John Richardson zu seiner Rede ansetzte. Der Chef der US-Marineoperationen gab an Bord die Reaktivierung der 2. US-Flotte bekannt. Ab 1. Juli sollen zunächst nur 15 Personen im US-Marinestützpunkt Norfolk an der US-Ostküste ihre Arbeit aufnehmen. Es dürften bald mehr werden.

Anfang Mai gab Admiral John Richardson die Reaktivierung der 2. US-Flotte an Bord des Flugzeugträgers USS George H. W. Bush bekannt.

Die Flotte wurde 2011 außer Dienst gestellt, um Geld für den Bau neuer Schiffe zu haben. Dennoch schrumpfte die US-Marine in den vergangenen Jahren, gleichzeitig nahm der Fokus auf Anti-Terror- und Anti-Piraterie-Operationen zu. Das ermöglichte es nach Ansicht der Spitzen der US-Seestreitkräfte Ländern wie China und Russland, technologisch aufzuschließen.

Vierte Schlacht im Atlantik

Nun schrillen in Washington die Alarmglocken. Der Kommandant der US-Marinestreitkräfte in Europa, Admiral James Foggo III., sprach bereits im Jahr 2016 von einer "vierten Schlacht im Atlantik" – eine Referenz an die drei vorangegangenen Schlachten im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie das Ringen um die Hoheit auf hoher See im Kalten Krieg. "Es ist klar, dass eine vierte Schlacht nicht heraufzieht, sondern stattfindet quer über und unter den Ozeanen, die an Europa grenzen. Das ist kein kinetischer Kampf. Es ist ein Ringen zwischen den russischen Streitkräften, die nach Schwächen suchen, und Anti-U-Boot-Streitkräften der USA und der Nato, die schützen und abschrecken. Wie im Kalten Krieg steht viel auf dem Spiel", schrieb der Admiral in einem Bericht für das US Naval Institute.

Darauf antwortet die US-Marine nun mit der Auferstehung der 2. Flotte. Das Aufgabengebiet soll rund die Hälfte des Nordatlantischen Ozeans umfassen, die anderer Hälfte wird – wie schon bisher – Operationsgebiet der in Italien stationierten 6. Flotte sein.

Übersicht der Einsatzgebiete der US-Flotten. Gemeinsam mit der in Italien stationierten 6. Flotte soll die 2. Flotte im Nordatlantik patrouillieren.
Grafik: Aydogdu Fatih/STANDARD

Noch hat die neue Flotte keine Schiffe, sie existiert nur auf dem Papier. Dennoch ist jetzt schon klar, dass sich die neue Einheit auf die U-Boot-Jagd konzentrieren wird. Die US-Marine beobachtete eine so hohe Aktivität russischer U-Boote wie zuletzt in den Tagen des Kalten Krieges. Selbst Russland streitet das nicht ab. Viktor Tschirkow, bis 2016 Chef der russischen Seestreitkräfte, sprach davon, dass die Zahl russischer U-Boot-Patrouillen seit 2013 um 50 Prozent gestiegen ist.

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Die Aktivitäten russischer U-Boote sind auf dem höchsten Stand seit dem Kalten Krieg.
Foto: REUTERS/Yuri Maltsev

Dafür wurde in den vergangenen Jahren unter anderem die P-8-Poseidon entwickelt. Das Flugzeug, das auf dem Passagierjet Boeing 737 basiert, ist für die U-Boot-Suche und Bekämpfung von Seezielen entwickelt worden.

Teure U-Boot-Jagd: Die P-8-Poseidon kann U-Boote aufspüren. Die Maschine kostete mehrere Hundert Millionen Dollar.
Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Salt Cebe

U-Boote bilden seit den Tagen des Kalten Krieges das Rückgrat der russischen Marinestrategie. Der Fokus auf Unterseeboote macht für Russland bis heute Sinn, denn für das Aufspüren eines einzelnen U-Bootes braucht ein Gegner wesentlich mehr Ressourcen: Neben speziell ausgerüsteten Flugzeugen bedarf es auch einer großen Anzahl an Schiffen, um Unterseeziele aufzuspüren und zu bekämpfen. Diese Asymmetrie macht es einer deutlich schlechter finanzierten Marine möglich, ihren Gegenspieler in Schach zu halten.

Neben der Gefahr, die russische U-Boote im Atlantik im Kriegsfall für eine auslaufende US-Flotte an der Ostküste darstellen, zeigen sich die US-Admiräle auch angesichts einer ganz anderen Aktivität ihrer Gegenspieler auf hoher See besorgt: Russische U-Boote halten sich laut Nato auffällig oft in der Nähe von Unterseekabeln im Atlantik auf, über die ein Großteil der Kommunikation zwischen den beiden Kontinenten verläuft.

Alliierte lassen nach

Verschärft wurde der Aufstieg der russischen Marine auch durch das Nachlassen der europäischen Verbündeten. Viele Länder haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihre Verteidigungsetats deutlich zurückgeschraubt. Selbst Großbritannien, der engste US-Verbündete in Europa, hat sein Engagement auf hoher See reduziert. Die Royal Navy, die nach wie vor mit Budgetproblemen zu kämpfen hat und im Kalten Krieg in der Nato eine unersetzbare Rolle bei der Jagd nach russischen U-Booten gespielt hat, hat nachgelassen. In den vergangenen Jahren stand das Vereinigte Königreich sogar ohne Flugzeug zur U-Boot- und Seezielbekämpfung da. Lücken, die die USA allein nicht schließen konnten.

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Norfolk, Virginia: Der größte Marinestützpunkt der Welt soll künftig auch Heimat der 2. Flotte sein.
Foto: REUTERS/U.S. Navy/Mass Communication Specialist 1st Class Christopher B. Stoltz/Handout (

Nun wird gegengesteuert. Neben der 2. Flotte soll in Norfolk auch ein Nato-Joint-Force-Command-Zentrum für den Nordatlantik installiert werden.

Tödliche Unfälle

Die Wiederauferstehung der 2. Flotte kommt in einer Umbruchphase für die US-Marine. Nach Jahren der Reduzierung von Schiffen und Personal sollen die US-Seestreitkräfte wieder wachsen. Gleichzeitig werden die bestehenden Schiffe und Mannschaften bis aufs Maximum ausgereizt, was auch immer mehr Fehler und sogar Todesopfer zur Folge hat.

Auch dabei soll die Wiederauferstehung der 2. Flotte helfen. Das United States Fleet Forces Command, das bisher die Aufgaben der 2. Flotte übernahm, ist eigentlich für Flottenpersonal, Ausbildung, Beschaffungen und Wartung für alle anderen US-Marineeinheiten verantwortlich.

Dennoch warnt Foggo: "Der klare Vorsprung in der U-Boot-Kriegsführung, den wir während des Kalten Krieges hatten, schwindet. Russische U-Boote sind fähiger als zuvor, wir befinden uns in einem technologischen Rüstungswettbewerb mit Russland." (stb, 9.5.2018)