Bei der Ankündigung der ersten Developer Preview von Android P machte Google bereits Mitte März klar: Das war noch nicht alles. Und tatsächlich hat man sich einen bedeutenden Teil der Änderungen für die erste Beta-Version vorbehalten, die nun im Rahmen der Entwicklerkonferenz I/O veröffentlicht wurde. Und was hier zu sehen ist, dürfte nicht nur vielen Nutzern gefallen – es macht auch Hoffnung, dass endlich Bewegung in die Android-Update-Welt kommt.

Gestensteuerung

Mit Android P verpasst Google seinem Betriebssystem tatsächlich die im Vorfeld bereits kolportierte Gestensteuerung. Die konkrete Umsetzung erinnert dabei zum Teil an das iPhone X, noch mehr aber an frühere Vorgänger wie WebOS, dessen Design-Chef ja mittlerweile eben jene Position bei Google befüllt. Statt der gewohnten Systemnavigation mit drei Knöpfen gibt es also jetzt nur mehr einen flachen Home-Button, über dem diverse Gesten ausgeführt werden können.

Eine kurze Berührung führt dabei zur Rückkehr auf den Homescreen – so weit, so ebkannt. Eine kurze Wischbewegung nach oben offenbart aber bereits Neues: Wird doch auf diese Weise jetzt der Task Switcher aufgerufen, der noch dazu komplett umgestaltet wurde. Die einzelne Apps sind nun horizontal nebeneinander angeordnet, über einen seitlichen Swipe kann also zwischen diesen gewechselt werden. Zudem nutzt man diesen Raum auch gleich, um unten ein Suchfeld sowie eine Liste der meistgenutzten Apps darzustellen.

Task-Wechsel

Alternativ dazu kann auch nach rechts über den Knopf gewischt werden, um schnell von App zu App wechseln, eine sehr flinke wenn auch etwas ungenaue Methode, wie sich schnell zeigt. Der Zugriff auf den App Launcher ist nun über einen doppelten Swipe beim Home Button erreichbar – im ersten Test bedurfte dies der meisten Umgewöhnung. Alternativ ist auch eine lange Wischbewegung nach oben möglich, um das gleiche Ziel zu erreichen. Ganz verschwunden ist der Zurückknopf übrigens nicht, in Apps ist er zum Teil noch immer sichtbar, wohl um hier gewohnte Nutzungsparadigmen nicht von einem auf den nächsten Tag zu zerstören.

Die Android P Beta auf dem Pixel 2 XL
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

In Summe erweist sich die aktuelle Umsetzung als durchaus vielversprechend, auch wenn sie wohl für so manche Nutzer gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Derzeit hat das Ganze zudem auch noch sehr begrenzte Vorteile, da der schwarze Balken, der von der klassischen Systemnavigation bekannt ist, weiter erhalten bleibt. Angemerkt sei, dass dieses System derzeit optional ist, und über die Einstellungen aktiviert werden muss. Das wird sich aber wohl mit kommenden, neuen Geräten ändern.

"Verantwortung zeigen"

Einen starken Fokus legte Google in seiner Präsentation auf jene neuen Funktionen, die grob mit der Überschrift "Bekämpfen von Smartphone-Sucht" umrissen werden können. Das Problem dabei: In der aktuellen Testversion ist hiervon noch nichts zu sehen, insofern muss man sich also noch mit den diesbezüglichen Versprechungen zufriedengeben.

So soll es etwa ein "Time Spent"-Dashboard geben, in dem exakt aufgelistet wird, womit man am Smartphone wie viel Zeit verbraucht hat. Das bezieht sich einerseits auf Apps, zudem werden aber auch Informationen darüber erhalten, wie viele Benachrichtungen man erhalten hat, und vor allem: Wie oft der Lock-Screen entsperrt wurde.

Doch Transparenz ist das eine, Kontrolle noch einmal etwas anderes. Also gibt Android P den Nutzern auch die Möglichkeit Zeitlimits für jede beliebige App festzulegen. Wird dieses überschritten,wird das betreffende Icon ausgegraut, und die App lässt sich vorerst nicht mehr starten.

Abwarten

Im Gespräch mit dem STANDARD betont Android-Entwicklungschef Dave Burke übrigens, dass es kein Zufall ist, dass all diese Features in den aktuellen Testversionen von Android P noch fehlen. Zwar werden in der fertigen Ausgabe von Android P bereits all die dafür notwendigen Schnittstellen vorhanden sein, die User-Seite wird aber wohl erst im Herbst folgen – was auf einen Launch mit der nächsten Pixel-Generation hinweist.

Do not disturb

Zudem soll auch das "Do not Disturb"-System verbessert werden, werden in diesem Modus doch künftig Notifications komplett ausgeblendet, anstatt sie einfach nur "leise" anzuzeigen wie bisher. Diese Funktion ist wiederum mit einem neuen Feature namens "Wind me down" verschränkt: Dabei wird dann die gesamte Anzeige auf Graustufen umgestellt. Dies soll es in der Nacht leichter machen, das Smartphone wieder zur Seite zu legen. Ebenfalls neu ist ein "Manage Notifications"-Knopf mit dem rasch die Benachrichtigungen der diesbezüglich zuletzt aktiven Apps deaktiviert werden können.

Smarte Features

Wer mit Google-Vertretern spricht, wird dabei schnell beim Thema Künstliche Intelligenz landen, so zentral sieht man diesen Bereich für die eigene Zukunft. Und das gilt auch für mobile Geräte: In Android P will man Maschinenlernen nutzen, um die Akkulaufzeit weiter zu optimieren. Bei näherer Betrachtung stellt sich das als eine Art – durchaus schlauer – Erweiterung für bestehende Maßnahmen wie den Doze-Modus an. Weiß das System etwa, dass man eine App nur selten nutzt, dann kann sie diese auch schneller beenden, da es unwahrscheinlich ist, dass die User sofort wieder darauf zugreifen – und das spart natürlich Strom.

Unter dem Namen Slices bietet Google App-Entwicklern künftig die Möglichkeit an, einzelne Teile ihrer Apps in anderen Programmen – etwa der globalen Suche – des Smartphones darzustellen. So könnte denn etwa eine Grafik zu Wetter oder Routen bei einem Fahrtendienst direkt an anderer Stelle eingeblendet werden, ohne dass die Nutzer einem Link folgen müssen. Damit gehen auch die sogenannten Actions einher, über die Entwickler eine Art Deep Links in eigene Apps erstellen können.

Die neue Gestensteuerung in Aktion (links), die smarte Akkuoptimierung (mitte) und die Systemeinstellungen.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Hardwarehoffnung

Die größte Überraschung in der Vorstellung der Android P Beta war aber nicht bei einzelnen Features zu suchen. Vielmehr ist es der Blick auf die unterstützte Hardware: Gibt es doch erstmals eine solche Testversion nicht nur für Googles eigene Geräte sondern auch für diverse Smartphones anderer Hersteller. Neben Pixel (XL) und Pixel 2 (XL) wird es die Beta also auch für Sony Xperia XZ2, Xiaomi Mi Mix 2S, Nokia 7 Plus, Oppo R15 Pro, Vivo X21, OnePlus 6, und das Essential PH‑1 geben.

Damit bestätigen sich die Hoffnungen des Vorjahres. Das mit Android 8 eingeführte "Project Treble", das Updates erheblich erleichtern soll, scheint also tatsächlich zu greifen. Und auch sonstige Bemühungen von Google tragen Früchte: So kündigt etwa Chiphersteller Qualcomm an, dass es für Snapdragon 845, 660, und 636 zeitgerecht zum Launch von Android P stabile Treiber geben wird, die die Hersteller für rasche Updates nutzen können.

Zu all den erwähnten neuen Funktionen kommen noch jene, die schon in der Developer Preview 1 vorhanden waren. Das wären also etwa wichtige Privacy-Verbesserungen, indem der Hintergrundzugriff auf Mikrofon, Kamera und Sensoren künftig blockiert wird. Auch Display-Cutouts, wie sie mittlerweile immer mehr Hersteller nutzen, werden nun offiziell unterstützt.

Verfügbarkeit

Die Beta für Android P kann – das richtige Smartphone vorausgesetzt – im Rahmen des Android-Beta-Programms bezogen werden. Der weitere Zeitplan sieht nun monatlich neue Testversionen vor, bevor dann im August die stabile Version von Android P – oder wie es dann wohl offiziell heißen wird: Android 9.0 – geben wird. Spätestens dann wird sich zeigen, wie viele – und welche – Hersteller dieses Mal tatsächlich rasch Updates liefern werden. (Andreas Proschofsky, 9.5.2018)